Faszinierend war sie auf jeden Fall, die Entwicklung der COX-2-Hemmer. Der theoretische Hintergrund schien vielversprechend. Die Erfahrungen in der Praxis erfüllten die nach der Theorie zu erwartenden Vorteile – wie leider häufig – nicht so ganz. Dennoch setzte sich das Therapieprinizip COX-2-Hemmer nach den ersten Markteinführungen im Jahr 1999 relativ rasch durch. Und von Beginn an wurde über kardiovaskuläre Nebenwirkungen gesprochen, die in zahlreichen Präsentationen, Publikationen, Satellitensymposien und durch Expertenmeinungen immer wieder relativiert wurden. Und nun – ausgelöst durch die Ergebnisse der APPROVe-Studie – zeigte es sich doch eindeutig: Rofecoxib erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall.
In einem Beitrag im New England Journal of Medicine vom 21. Oktober 2004 warnt jedoch Garret A. Fitzgerald von der Universität of Pennsylvania, Philadelphia (USA) davor, dies nur als Substanzeffekt zu bezeichnen: “We must remember that the absence of evidence is not the evidence of absence.”
Pharmakologischer Hintergrund: Prostaglandin I2 (Prostacyclin), der Gegenspieler von Thromboxan A2, wird hauptsächlich mit Hilfe der COX-2 gebildet. Wird COX-2 gehemmt, sinkt die Konzentration von Prostacyclin. Proaggregatorisch wirkendes Thromboxan A2 kann verstärkt wirken und bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. Soweit die Hypothese zur kardiovaskulären Nebenwirkung von Rofecoxib. Aber warum sollte es nur bei Rofecoxib so sein? Hier liegen nun Daten vor. Für die anderen COX-2-Hemmer fehlen solche aussagekräftigen Daten bislang. Beispielsweise hatten sowohl die CLASS-Studie (Celecoxib long term arthritis safety study) mit Celecoxib als auch die vor kurzem publizierte TARGET-Studie (Therapeutic arthritis research and gastrointestinal event trial) mit Lumaricoxib (noch nicht im Handel) nicht zum definierten Ziel, Wirkungen der COX-2-Hemmer auf die Rate kardiovaskulärer Ereignisse zu untersuchen. Dennoch zeigte sich bei entsprechenden Analysen ein Trend zu vermehrten kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten, die Acetylsalicylsäure nicht verwendeten. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen in diesen Studien waren nur bei den Patienten unter COX-2-Hemmern geringer, die keine Acetylsalicylsäure einsetzten.
Also eine vertrackte Sache: Die COX-2-Hemmer allein gegeben hatten zwar weniger gastrointestinale Nebenwirkungen, lösten aber in der Tendenz mehr kardiovaskuläre Ereignisse aus. Mit der kardiovaskulär protektiv wirkenden Acetylsalicylsäure aber verlor sich die günstigere gastrointestinale Nebenwirkungsrate.
Mit Parecoxib, dem Prodrug von Valdecoxib, traten bei Patienten, die sich einer Bypass-Operation unterzogen, vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse auf. Für Valdecoxib sind laut Garret Fitzgerald bislang keine Daten zur gastrointestinalen Verträglichkeit publiziert.
Bevor die Daten der APPROVe-Studie vorlagen, war man der Ansicht, dass der Nutzen der COX-2-Hemmer bei der gastrointestinalen Verträglichkeit höher zu bewerten ist als das kardiovaskuläre Risiko. Nun hat sich diese Beurteilung umgekehrt.
Dieser Vorgang zeigt deutlich ein Dilemma unserer Zeit auf: die Pharmaindustrie ist unter hohem Druck, ihre neuen Arzneimittel in möglichst kurzer Zeit möglichst gewinnbringend zu vermarkten, weil Gewinne nur über eine begrenzte Zeit möglich sind. Dies hat m. E. zur Folge, dass neue Arzneimittel oft viel zu breit und zu risikoreich in den Markt gedrückt und dadurch letzten Endes kaputt gemacht werden. Als Folge der breiten Anwendung werden zu viele ungeeignete Patienten behandelt und geschädigt.
Die Arzneimitteltherapie braucht neue Arzneistoffe, aber das Interesse an Investitionen in Arzneimittel-Forschung wird unter den derzeitigen Rahmenbedingungen weiter sinken.
Susanne Heinzl
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