Heike Oberpichler-Schwenk
Kurz- und Langfassung der S3-Leitlinie/Nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ unter:
http://www.depression.versorgungsleitlinien.de/
oder
http://leitlinien.net
Rund 4 Millionen Menschen in Deutschland, etwa 5% der Bevölkerung, leiden an einer depressiven Störung. Das Risiko, im Laufe des Lebens ein einer Depression zu erkranken, wird mit 16 bis 20% angegeben. Hauptsymptome der Depression sind eine gedrückte, depressive Stimmung, Freudlosigkeit, Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit. Dazu kommen zum Beispiel Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Schuldgefühle, Schlafstörungen, anhaltende Schmerzen, verminderter Appetit, in schweren Fällen auch Suizidgedanken oder -handlungen. Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Erkrankten sind deutlich beeinträchtigt.
Große öffentliche Aufmerksamkeit gewann die Erkrankung Depression durch den Suizid des Nationaltorwarts Robert Enke im November 2009. Dieser tragische Fall und die umfangreiche Berichterstattung darüber mögen im einen oder anderen Fall zu einer Nachahmungstat geführt haben. Gleichzeitig eröffnete sich aber die Möglichkeit, einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, dass die Depression eine behandelbare Krankheit ist. Das wirkt sich hoffentlich längerfristig zum Segen der Betroffenen aus, indem sie rechtzeitig ärztliche Hilfe aufsuchen oder indem ihre Umgebung den Krankheitswert der depressiven Störung erkennt und anerkennt.
Wie der Zufall es wollte, wurde nur 16 Tage nach dem Tod Enkes die S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ vorgestellt. Die Leitlinie wurde in gut vierjähriger Arbeit und Diskussion von Experten aus 28 Fachgesellschaften und Organisationen gemeinsam mit Vertretern von zwei Patientenorganisationen entwickelt. Die S3-Leitlinie enthält 107 Empfehlungen und Statements zu Prävention und Screening, Diagnostik, Psycho- und Pharmakotherapie der unipolaren Depression, zum Vorgehen bei gleichzeitig bestehenden somatischen oder anderen psychischen Erkrankungen (Komorbidität) sowie bei Suizidalität. Aufgrund der großen bevölkerungsmedizinischen Bedeutung von Depressionen wurde die Leitlinie auch zur Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) erklärt. Weitere NVLs gibt es bislang für Asthma bronchiale, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Netzhaut- und Fußkomplikationen des Typ-2-Diabetes, koronare Herzkrankheit (KHK) und seit kurzem für chronische Herzinsuffizienz.
Für leichte und selbst für mittelgradige Depressionen besteht laut S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ zunächst die Wahl zwischen Psychotherapie und Pharmakotherapie – wobei sich in der Praxis die Frage stellt, ob ein ausreichendes psychotherapeutisches Angebot existiert. Eine Behandlung mit Antidepressiva empfiehlt die Leitlinie insbesondere bei mittelgradigen und schweren Depressionen. Dabei wird keine bestimmte Antidepressiva-Gruppe empfohlen, denn es „besitzen alle zugelassenen chemischen Antidepressiva bei ambulanter Anwendung eine vergleichbare antidepressive Wirksamkeit, unterscheiden sich aber bezüglich des Nebenwirkungs- und Interaktionsprofils.“ Einzig Johanniskraut wird explizit angesprochen und unter Beachtung des Interaktionspotenzials als Option für einen ersten Therapieversuch bei einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode genannt. Falls unter der gewählten antidepressiven Therapie nach drei bis vier Wochen (bei älteren Patienten bis sechs Wochen) keine Besserung erkennbar ist, kann bei trizyklischen Antidepressiva oder Venlafaxin, nicht aber bei selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, eine Dosiserhöhung versucht werden. Bei weiterhin ausbleibendem Therapieansprechen wird eine Lithiumaugmentation favorisiert, die allerdings in die Hand erfahrener Ärzte gehört. Antidepressiva-Kombinationen oder ein Wechsel des Antidepressivums sind weitere Optionen.
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