Chemotherapie – Entwicklungen und Erwartungen


Heike Oberpichler-Schwenk

Ein Themenbereich des vorliegenden Hefts ist die Optimierung der Chemotherapie bei Krebserkrankungen, dargestellt am Beispiel von Paclitaxel und Bortezomib. Die Adsorption von Paclitaxel an nanopartikuläres Albumin (nab-Paclitaxel) erlaubt es, bei der Therapie mit Taxanen auf Lösungsvermittler, die schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen hervorrufen können, zu verzichten. Die Formulierung ermöglicht im Vergleich mit konventionellen Taxanen eine kürzere Infusionsdauer. Schwerwiegende Neutropenien und Anämien sind seltener und erlauben höhere Dosierungen. Limitiert wird dies allerdings durch periphere sensorische Neuropathien, die mit nab-Paclitaxel mindestens ebenso häufig auftreten wie mit konventionellen Taxanen. Für Bortezomib gelang eine Verbesserung der Verträglichkeit – auch in Hinblick auf periphere Neuropathien – durch Entwicklung einer Formulierung zur subkutanen Gabe.

Die Verträglichkeit von Zytostatika zu verbessern, ist alle Mühen wert, umso mehr, als diese Medikamente in vielen Fällen keine Heilung bieten können, sondern bestenfalls eine Verlängerung des Überlebens, oft lediglich des progressionsfreien Überlebens. Die verbleibende Zeit kann sich bei fortgeschrittenen bzw. metastasierten Krebserkrankungen auf wenige Monate beschränken (siehe z.B. Tab. 2 im Beitrag über nab-Paclitaxel) und sollte nicht durch intolerable Nebenwirkungen einer Chemotherapie geprägt sein.

Ob ein Krebspatient sich einer Chemotherapie unterziehen will, hängt wesentlich davon ab, welche Erwartungen er an diese Behandlung hat. Diese Erwartungen sind offenbar selbst bei schlechter Prognose stark von Hoffnung bestimmt. So lassen sich jedenfalls die Ergebnisse einer amerikanischen Studie deuten [1]. Dort wurden 1193 Patienten mit metastasiertem Lungen- oder Kolorektalkarzinom (Stadium IV) vier bis sieben Monate nach der Diagnose zu ihren Erwartungen an die zwischenzeitlich aufgenommene Chemotherapie befragt. Beide Erkrankungen gelten in diesem Stadium als nicht heilbar. Diese Information hatte die Mehrzahl der Patienten aber offenbar nicht erhalten (?), nicht verstanden – oder verdrängt: In einem strukturierten Interview gaben nur 31% der Lungenkrebspatienten und 19% der Patienten mit Kolorektalkarzinom an, von der Chemotherapie keinesfalls eine Heilung zu erwarten. 69% bzw. 81% der Patienten hielten eine Heilung für mehr oder weniger wahrscheinlich (sehr, etwas, ein wenig) oder ließen die Frage offen. Als „sehr wahrscheinlich“ wurde eine Heilung immerhin von etwa einem Viertel der Lungenkrebspatienten und über einem Drittel der Darmkrebspatienten angesehen.

Die Erwartung einer mehr oder weniger wahrscheinlichen Heilung war unabhängig vom Bildungsgrad und davon, ob der Patient bei der Therapieentscheidung eine eher aktive/gleichberechtigte oder eher passive Rolle spielte. Bemerkenswerterweise unterlagen Patienten, die die Kommunikation mit ihrem Arzt positiver bewerteten, eher der irrtümlichen Heilserwartung. Man darf spekulieren, dass Ärzte, die es verstanden hatten, ihre Patienten in Hinblick auf die Chemotherapie optimistischer zu stimmen, von diesen günstiger bewertet wurden.

Die Entscheidung für oder gegen eine (Chemo-)Therapie setzt die umfassende, objektive Information über deren Chancen und Risiken voraus. Allerdings sollte der Patient gerade bei einer terminalen Erkrankung selbst entscheiden dürfen, wie viel er wissen will. Die Studienkommentatoren [2] empfehlen deshalb die Strategie: Fragen, was der Patient über seine Prognose wissen will, sprechen (d.h., ihm das Gewünschte mitteilen) und fragen, was er von seiner Situation verstanden hat, um in jeder Phase der Erkrankung die angemessene Information zu vermitteln.

Quellen

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