Aus dem Leben einer Zeitschrift


Rika Rausch, Stuttgart

Sie halten heute die 453. Ausgabe der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten in den Händen. Es ist weder ein Jubiläum noch eine Schnapszahl – im Monat September des Jahres 2015 ist es schlichtweg wieder einmal Zeit für eine Verjüngungskur. Einer Fachzeitschrift soll man ihr Alter nicht ansehen: Mit 38 Jahren hat sich die MMP deshalb schon 6-mal einem Facelifting unterzogen, wie man eine Auffrischung des Layouts im Zeitschriftenjargon nennt. Im Rahmen der diesjährigen Schönheitsoperation wurden zwei neue Schriftarten eingeführt und damit das äußere Erscheinungsbild der MMP nur leicht korrigiert.

Ein Mensch steht kurz vor dem 40. Geburtstag in der Regel mit beiden Beinen im Leben und hat Erfahrungen gesammelt, ist aber gleichzeitig jung und neugierig genug, um mit Traditionen brechen zu wollen. Grundsätzlich trifft das auch auf eine Fachzeitschrift zu, allerdings muss diese deutlich schneller erwachsen werden, um von Anfang an ein verlässlicher Begleiter im Berufsleben zu sein. Die MMP hat Arzneimittel kommen und gehen sehen und den Fortschritt in der Medizin dokumentiert. Wir haben für Sie etwas im Archiv „der guten alten Zeit“ gestöbert:

Im Januar 1978 wurde die MMP aus der Medizinischen Monatsschrift geboren, einer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Zeitschrift für allgemeine Medizin und Therapie, die sich vorrangig an Ärzte richtete. Etwas grotesk wirken aus heutiger Sicht die Titel der frühen 60er Jahre, auf denen neben dem historischen Zitat „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ und einem preußisch anmutenden Soldaten mit Pickelhaube für das Beruhigungsmittel Sedapon D (Belladonna-Alkaloide, Meprobamat, Yohimbinsäure) geworben wird. In dieser Zeit erschien es noch berichtenswert, dass falsche Lebensgewohnheiten und Zigarettenrauchen Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen können. Auch verirrte sich die eine oder andere Heiratsanzeige ins Heft.

Im Zuge des neu ins Pharmaziestudium aufgenommenen Prüfungsfachs Pharmakologie wurde die Zeitschrift umbenannt und auf Apotheker ausgerichtet, da man bei dieser Zielgruppe Nachholbedarf an medizinischem Hintergrundwissen sah. Aufgewachsen in den 80er Jahren, beschäftigte sich die MMP in ihrer ersten Lebensdekade häufig mit dem Thema AIDS. 1984 wird über die Infektion als eine zuerst in den USA registrierte Erkrankung berichtet, die mit zweijähriger Verzögerung in ihrer ganzen Problematik auch die Bundesrepublik betreffen wird. Als Therapien standen Interferon und Interleukine zur Verfügung. 1987 äußerte man die Befürchtung, dass sich das HI-Virus im Schwimmbad über das Wasser verbreitet. Seitdem hat der Wissenszuwachs die Therapie spürbar vorangetrieben. Eine Heilung von AIDS ist zwar bisher nicht möglich, jedoch kann die Infektion durch Virustatika dauerhaft unterdrückt werden.

Zugegeben: Nicht jeder Bereich der Medizin hat eine solch fulminante Entwicklung durchlaufen. Nach der „Pille für den Mann“ sucht man bereits im Jahr 1979 und bis heute vergebens und auch die Diskussion um die Effektivität von Zink bei grippalen Infekten ebbt in der Gegenwart nicht ab. Im Jahr 1984 lautete die Aussage noch: „Mit Zink kann die Dauer der Erkältung um mehr als die Hälfte verkürzt werden.“ Zu Zeiten der evidenzbasierten Medizin zeigt man sich da heute weitaus weniger euphorisch (s. S. 350ff).

Monat für Monat verfolgt die MMP die Wissenschaft und informiert über neue Targets und angehende Arzneimittelblockbuster. Trendgespür bewies sie auch in der Mode: Während das kastige Design des Schriftzugs in den 80er Jahren Elemente der Schulterpolster aufgreift, erinnern die türkis- und lilafarbenen Titelbilder in ihren Mittzwanzigern an Trainingsanzüge der 90er. Online ging die MMP im Jahr 2000, wenn auch zunächst nur mit Inhaltsverzeichnissen und Stichwortregister. 2003 fand die nun 4-farbige MMP Eingang in die bunte Welt der Nuller Jahre mit Handys, Internet und den Ratiopharm-Zwillingen auf der Heftrückseite. Im selben Jahr wurde die zertifizierte Fortbildung eingeführt, die seitdem fester Bestandteil jeder Ausgabe ist und sich stetiger Beliebtheit erfreut.

Und damit genug in Erinnerungen geschwelgt. Die Zukunft hat bereits begonnen. Das aktuelle Heft ist neben Modeverirrungen ein weiteres Argument dafür, dass früher nicht alles besser war. Die Therapie der Hepatitis C hat mit Einführung der direkt antiviral wirksamen Substanzen gegen das Hepatitis-C-Virus eine Revolution erfahren, da mittlerweile auf die stark nebenwirkungsbehaftete Behandlung mit Interferon alfa verzichtet werden kann (ab S. 328).

Sie haben Wünsche für die Zukunft der MMP? Wir freuen uns, wenn Sie auf der Expopharm am Stand E31 Halle 3 vorbeischauen und uns davon erzählen!

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