Rika Rausch, Stuttgart
Die Entwicklung der Sprache ist ein Meilenstein in der Evolution. Zuvor kommunizierten die Urmenschen hauptsächlich über Gesten, Grunzlaute und Schreie miteinander. Seine volle Sprachfähigkeit erreichte der Mensch vor etwa 100000 Jahren [2]. Dass Sprache nicht nur der Verständigung dient, sondern auch Verwirrung stiften kann, zeigte spätestens der Turmbau zu Babel. Im Alten Testament wird von einem Volk erzählt, das einen Turm bauen will, dessen Spitze bis zum Himmel reicht. Gott befürchtet, dass die Menschen zu übermütig werden, und gibt ihnen unterschiedliche Sprachen, die eine Verständigung untereinander fast unmöglich machen. Das Projekt scheitert.
Heute gibt es etwa 7000 Sprachen auf der Welt. Mandarin, Englisch und Spanisch sind die Top 3 [1]. In Zeiten der politischen Integration ist Kommunikation ein zentrales Thema. Bis Ende 2015 hießen wir in Deutschland mehrere Hunderttausend Flüchtlinge willkommen und auch 2016 wird uns der Zustrom vor Herausforderungen stellen. Apotheker treten einen sprachlichen Hürdenlauf an: Paragraph 20 der Apothekenbetriebsordnung verpflichtet uns, den Patienten hinreichend über die sachgerechte Anwendung von Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten zu beraten. Doch wie stellt man das an, wenn keine gemeinsame Sprache zugrunde liegt? Dankenswerterweise gibt es viele freiwillige Dolmetscher. Mitunter ist aber auch der Einfallsreichtum des pharmazeutischen Personals gefragt: Da wird mit vereinten Kräften das Englisch und Französisch aus Schulzeiten reaktiviert oder Hände und Füße werden zur Demonstration herangezogen. Weitsicht beweist, wer sich frühzeitig mit dem Thema Internationalität auseinandersetzt.
Kommunikation ist auch unter deutschsprachigen Mitmenschen eine komplexe Angelegenheit. Nicht selten kommt es aufgrund unterschiedlicher Erfahrungswerte, eines Dialekts oder einer Fachsprache zu Missverständnissen. Um eine Verständigung im Rahmen einer pharmazeutischen Betreuung gewährleisten zu können, muss der Apotheker folgende Sprachen beherrschen: Apothekerslang, Ärztelatein und Patientenmundart. Ein Beispiel: Der Apotheker spricht von Furosemid, der Arzt von Lasix, der Patient von Wassertablette. Die pantomimische Darstellung stößt hier definitiv an ihre Grenzen, sodass andere Wege der Kommunikation gefunden werden müssen. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie wurde darüber diskutiert, ob der Apotheker „mehrsprachig“ aufwachsen sollte. Gemeinsame Veranstaltungen von Medizin- und Pharmaziestudenten – wenn möglich am Krankenbett – vermitteln einen Eindruck davon, wie der Andere denkt und spricht. Ziel soll nicht sein, die Berufe zu vermischen, sondern eine Kommunikationsbasis zu schaffen und die Kompetenzen bestmöglich zu verzahnen.
In unserer Rubrik „Medizin meets Pharmazie“ möchten wir dazu beitragen, dass Sie als Apotheker das ärztliche Handeln nachvollziehen und die richtigen Fragen stellen können. Dieses Mal geht es um die Herzinsuffizienz, viel mehr ein klinisches Syndrom als eine eigenständige Erkrankung. Sie kann medikamentös wirkungsvoll behandelt werden – Compliance vorausgesetzt. An dieser Stelle kommt der Apotheker ins Spiel: In Studien konnte gezeigt werden, dass er einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Einnahmetreue leisten kann [3].
In Deutschland wurden bis Ende 2015 Teilnehmer für die PHARM-CHF-Studie rekrutiert [4]. Dabei handelt es sich um eine kontrollierte Studie, die untersucht, ob ein kontinuierliches interdisziplinäres Programm zur Verbesserung der Einnahmetreue und zur Verminderung von Arzneimittelrisiken die Krankenhausaufenthalte und die Sterblichkeit bei älteren Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz reduziert. Sie ist damit die erste deutsche Studie, die einen interdisziplinären Ansatz im Hinblick auf harte Endpunkte untersucht. Die Ergebnisse werden im Jahr 2017 erwartet.
Die Sprache verschlagen haben den Apothekern jedenfalls die jüngsten Entscheidungen zum eHealth-Gesetz: Die Erstellung des Medikationsplans liegt allein in ärztlicher Hand; Apotheker sind bei Änderungen der Medikation zur Aktualisierung verpflichtet – aber nur auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten und ohne Honorierung. Das sollten wir nicht schweigend hinnehmen, sondern weiterhin versuchen, die Politik vom wertvollen Beitrag des pharmazeutischen Sachverstands zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit zu überzeugen. Mit lauter Stimme – und mit Händen und Füßen, wenn es sein muss.
Literatur
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