Priv.-Doz. Dr. Christoph Kalka, Brühl
Akute Venenerkrankungen, insbesondere die tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose, stellen einen gefäßmedizinischen Notfall dar und können zu lebensgefährlichen Komplikationen durch Entwicklung einer Lungenarterienembolie und längerfristig zu schweren Folgeschäden im Sinne eines postthrombotischen Syndroms an den betroffenen Körperpartien führen.
Schweregefühl, Kribbeln, Ziehen im Unterschenkel, eine Schwellung am Bein, ein Druck- oder Hitzegefühl: Was sich zunächst anfühlt wie ein harmloser Muskelkater, kann ein gefährlicher Venenverschluss durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) sein. Die Symptome sind aber oft uncharakteristisch oder können sogar fehlen und die Krankheit so leicht übersehen werden. Dabei erkrankt jedes Jahr einer von 1000 Menschen an einer Thrombose. Dennoch sind die Symptome und möglichen Folgen einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) in weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt. Aber auch in der Ärzteschaft besteht eine gewisse Unsicherheit, was die sinnvollen diagnostischen Maßnahmen und die notwendige Therapie angeht.
Um genau dieser Problematik der „Volkskrankheit“ Thrombose entgegenzuwirken, hat die Deutsche Gesellschaft für Angiologie das Aktionsbündnis Thrombose ins Leben gerufen. Bündnispartner wie die Deutsche Gefäßliga e.V., die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie e.V. und die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. beteiligen sich an einer Aufklärungskampagne, um auf die Risiken von Venenthrombose und Lungenembolie hinzuweisen. Ziel ist es, das öffentliche Bewusstsein für Prävention, Diagnose und Therapie zu schärfen, mehr Lebensqualität und langfristige Perspektiven von Patienten zu schaffen und die Zahl der Menschen, die durch die Folgen einer Thrombose sterben, zu reduzieren. Ein wichtiger Partner in diesem Konzept sind aber auch die Apotheker, da sie ein Bindeglied zwischen Arzt und Patient darstellen. Eine enge fachliche Zusammenarbeit von Apothekern und Gefäßmedizinern spielt dabei eine große Rolle. Schauen Sie doch auch mal auf der Internetseite des Aktionsbündnisses www.risiko-thrombose.de vorbei!
Die vorliegende Ausgabe von Medizin-meets-Pharmazie widmet sich in vier Fachbeiträgen dem Thema Thrombose. Basierend auf der aktuellen S2k-Leitlinie wollen Ihnen Mitglieder des Aktionsbündnisses die Erkrankung Beinvenenthrombose nahebringen. Die Beiträge von Dr. Holger Lawall widmen sich umfänglich wichtigen Grundkenntnissen und epidemiologischen Daten. Um die Gefahr unnötiger Untersuchungen und möglicherweise falsch positiver oder negativer Diagnosen zu minimieren, kann heute auf klare und verständliche Handlungsalgorithmen zurückgegriffen werden. Dabei kommt bei Thromboseverdacht der Erhebung der individuellen Anamnese und der klinischen Evaluation eine große Bedeutung zu. Sie gestattet eine wesentliche Einengung der Wahrscheinlichkeit der wirklich vorhandenen Thrombose und macht den gezielten Einsatz weiterer Untersuchungen einerseits und die Beurteilung von deren Ergebnissen andererseits möglich.
Die Therapie einer tiefen Venenthrombose muss so schnell wie möglich eingeleitet werden. Die Patienten erhalten zunächst eine Antikoagulation mit einem niedermolekularen Heparin, dem Faktor-Xa-Hemmer Fondaparinux oder mit einem der neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK). Die Behandlung wird anschließend mit einem Vitamin-K-Antagonisten oder einem NOAK über längere Zeit fortgesetzt. Frau Dr. Schimmelpfennig und Professor Bauersachs erläutern die möglichen Therapiemaßnahmen und beschreiben das Ampelprinzip als Entscheidungshilfe zur Dauer der Antikoagulation.
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Entstehung einer Thrombose begünstigen. Dazu zählen etwa Krampfadern, Gerinnungsstörungen und die Einnahme oraler Kontrazeptiva oder von Hormonersatzpräparaten. Auch Schwangere, Übergewichtige, Raucher und vor allem Personen über 60 Jahren haben ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Und gerade zur Reisezeit wichtig: Lang andauerndes und beengtes Sitzen, etwa im Flugzeug, Auto oder Bus, steigert besonders bei Risikopatienten die Gefahr, dass sich ein Blutgerinnsel bildet. Lesen Sie hierzu auch unser Fallbeispiel, vorgestellt von Frau Professor Reich-Schupke.
Die aktuelle Ausgabe der MMP hat nicht nur das Ziel, Ihnen die aktuellen Untersuchungsmethoden und Behandlungskonzepte der TVT vorzustellen. Die Therapieentscheidungen bei einer venösen Thrombose müssen trotz vereinfachter Algorithmen immer noch individuell abgestimmt sein und der Patient aktiv eingebunden werden. Hierbei bedarf es der Interaktion zwischen Apotheker und Arzt, der wir hoffen, durch diese Beiträge Anschub und Hilfestellung zu leisten. In diesem Sinne wünschen wir viel nachhaltige Freude bei der Lektüre.
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