Dr. Bettina Krieg, Stuttgart
Die CAR-T-Zell-Therapie hat ein Gesicht: Emily Whitehead, US-Amerikanerin, heute 12 Jahre alt und präsent in Talkshows, auf ihrem eigenen Blog, bei Facebook und inzwischen sogar mit einer eigenen Stiftung. Denn Emily ist die erste pädiatrische Patientin, die mit diesen Zellen behandelt wurde. 2012 war sie an akuter lymphoblastischer Leukämie erkrankt, einer Krebsart, die in 85% der Fälle eine günstige Prognose hat. Emily jedoch hatte trotz intensiver Chemotherapie bereits das zweite Rezidiv erlitten. Ihr standen keine Therapieoptionen mehr zur Verfügung – bis auf die experimentelle gentechnische Modifikation ihrer eigenen T-Zellen, einem Therapieansatz, der zuvor nur an wenigen Erwachsenen getestet worden war. Emilys Familie entschied sich für diesen Versuch. Drei Wochen später zeigte eine Untersuchung ihres Knochenmarks, dass Emily in der Remission war. Bis heute ist ihre Erkrankung nicht zurückgekehrt [3].
Zusammen mit ihren Eltern erschien sie im Juli dieses Jahres bei der FDA, als es um die Zulassung von Kymriah™ ging, der ersten CAR-T-Zell-basierten Therapie. Emilys Vater richtete zuversichtliche Worte an das Gremium: „Ich hoffe, dass Sie mit der Zulassung von Kymriah™ den Weg bereiten, um toxische Behandlungen wie Chemotherapie und Bestrahlung als Standardtherapien abzulösen und Leukämien zu behandelbaren Krankheiten zu machen [5].“
Dieser Auftritt wirkt, genauso wie die gesamte mediale Präsenz des Mädchens, sehr „amerikanisch“. Und dennoch: Fortschritte in der Tumortherapie haben in den letzten Jahren große Erwartungen geweckt, und das vor allem durch die Entwicklung immunologischer Strategien, zu denen die CAR-T-Zellen zählen. Unser Beitrag ab S. 4 erläutert diese Therapieansätze und ordnet sie ein.
Hoffnungsträger sind die CAR-T-Zellen auch für die Pharmaindustrie: Ihr Preis von 475000 US-Dollar sprengt jeden Rahmen. Allerdings, so wird argumentiert, reicht bei CAR-T-Zellen eine einzelne Gabe. Bereits verfügbare onkologische Behandlungen hingegen kosten bis zu 20000 US-Dollar monatlich. Zudem haben die Zellen in klinischen Studien Ansprechraten von 80% gezeigt. Auch hier übertreffen sie alternative Therapien [1].
Innovativ könnte zudem die Preisstrategie sein. Denn wertbasierte Vergütungen im Gesundheitssektor, die in einigen europäischen Ländern bereits gang und gäbe sind, werden inzwischen auch in den USA diskutiert [2]. Während z.B. in Deutschland der Mehrwert einer Therapie gegenüber den bereits verfügbaren Alternativen über deren Preis entscheidet, will der Hersteller Novartis für Kymriah™ in den USA gleich aufs Ganze gehen: Ein erfolgsorientiertes Modell soll gewährleisten, dass nur dann bezahlt wird, wenn der Patient auf die Therapie anspricht. Da stellt sich natürlich die Frage, wie dieses Ansprechen definiert wird: Rezidivfreiheit nach 30 Tagen, 3 Monaten oder nach einem Jahr? Das wird wohl Verhandlungssache sein, zumal sich Langzeitergebnisse in diesem Preismodell schlecht abbilden lassen (und derzeit erst begrenzt vorliegen).
Wie wird es weitergehen? Anfang November hat Novartis bei der Europäischen Arzneimittelagentur einen Zulassungsantrag für Kymriah™ eingereicht [6]. Yescarta™, eine zweite CAR-T-Zell-Therapie für den Einsatz in der hämatologischen Onkologie, wurde im Oktober in den USA zugelassen [4]. Parallel dazu wird die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen auch bei soliden Tumoren wie Lungen-, Prostata- oder Brustkrebs auf Hochtouren erforscht.
Werden die Hoffnungen von Emilys Vater Realität werden? Noch fehlen die klinischen Daten, um dies zu beurteilen. Was sich derzeit sagen lässt, fasst der Arzt und Gesundheitspolitik-Experte Peter B. Bach im JAMA treffend zusammen: „Momentan sind CAR-T-Zellen eine vielversprechende Therapie zu einem enormen Preis.“
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