Allergie – oder doch nicht?


Dr. Tanja Saußele, Stuttgart

Foto: Ferdinando Iannone

Die Angabe „Kann Spuren von … enthalten“ ist mittlerweile auf vielen Lebensmittelpackungen zu finden. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Angabe der Hersteller auf unbeabsichtigte Spuren, die beim Herstellungsprozess in das Lebensmittel gelangt sein könnten.

Durch diese Spurenhinweise sind Verbraucher zwar besser geschützt, da sie Informationen über „ihr“ Allergen erhalten, manche Verschleppungen sind jedoch so gering, dass sie auch für Allergiker unschädlich sind.

So kennen viele von uns die leidige Diskussion mit Patienten über lactosehaltige Tabletten bei einer (vermeintlichen) Lactose-Intoleranz. Bei dieser Unverträglichkeitsreaktion können geringe Lactosemengen jedoch problemlos verzehrt werden. So werden beispielsweise Lebensmittel, die weniger als 0,1% Lactose enthalten als „lactosefrei“ deklariert.

Sehr bedacht reagieren einige Pharmahersteller, deren Arzneistoffe raffiniertes Erdnussöl enthalten. Obwohl raffiniertes hochgereinigtes Erdnussöl protein- und somit allergenfrei ist, findet man in Fachinformationen unter Gegenanzeigen: „… darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, Erdnuss oder Soja …“

In einer britischen Studie reagierten 6 von 60 Erdnussallergikern auf oral eingenommenes kaltgepresstes Erdnussöl, kein Studienteilnehmer zeigte jedoch nach Einnahme von raffiniertem Erdnussöl eine allergische Reaktion [1]. Die besondere Vorsicht ist in diesem Fall aber verständlich, da bei dieser Form der Immunglobulin-E(IgE)-vermittelten Lebensmittelallergie kleinste Verunreinigungen mit Erdnussprotein schon allergieauslösend sein können. Welche Folgen das haben kann, lesen Sie im Beitrag Spezifische Immuntherapie bei Erdnussallergie.

Eine allergenspezifische Immuntherapie als einzige ursächliche Behandlungsoption kann aber nur dann erfolgen, wenn das allergieauslösende Agens eindeutig diagnostiziert wurde.

In einer aktuellen US-amerikanischen Befragung mit über 40 000 Erwachsenen gaben 19 % an, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden [3]. Anhand der Symptomschilderung und dokumentierten Diagnostik litten hingegen nur 10,8 % tatsächlich an einer entsprechenden Allergie. Damit die Lebensqualität der (angeblich) Betroffenen nicht unnötigerweise eingeschränkt wird, sollten bestätigende Tests durchgeführt werden. Wie diese Diagnostik im Falle einer vermuteten Erdnussallergie aussieht, erfahren Sie ebenfalls im Beitrag ab Seite 140.

Bei einer mutmaßlichen Penicillinallergie geht es hingegen nicht um eingeschränkte Lebensqualität. Durch die Einschränkung des Penicillingebrauchs erhalten Patienten vermehrt Breitspektrumantibiotika, wodurch die Risiken für Resistenzen und unerwünschte Wirkungen steigen. Deshalb sollte auch hier – als wichtiges Werkzeug des Antibiotic Stewardship – eine Penicillinallergie, zum Beispiel durch einen Hauttest, bestätigt werden. In den USA geben etwa 10 % der Bevölkerung an, an einer Penicillinallergie zu leiden [4]. Klinisch signifikante IgE-vermittelte Reaktionen treten jedoch nicht einmal bei jedem zwanzigsten Patienten auf [4]. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. ruft deshalb auch in Deutschland zu einer verstärkten Überprüfung vermuteter Penicillinallergien auf [2]. Und zwar nicht erst im Akutfall, wenn keine Zeit für einen entsprechenden Test ist, sondern durch die kritische Hinterfragung der Angabe „Penicillinallergie“.

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