Gehirnforschung auf dem Prüfstand


Dr. Jasmine Naun, Stuttgart

Foto: Dorothee Rietz

Die Gehirnforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, sei es bei der Diagnose und Behandlung von neurologischen Erkrankungen oder bei komplizierten neurochirurgischen Verfahren, beispielsweise mittels Neuronavigation. Die meisten dieser Fortschritte werden als positiv gewertet, da sie der Früherkennung und Behandlung von spezifischen Erkrankungen dienen. Anders sieht es bei den kürzlich im Labor erzeugten sogenannten Hirnorganoiden aus.

Hirnorganoide werden aus von Patientenzellen erzeugten induzierten pluripotenten Stammzellen gezüchtet [3]. Es handelt sich um Gewebestrukturen, die in vitro dreidimensional wachsen und die zelluläre Architektur sowie bestimmte Funktionen des Gehirns in Teilen nachahmen. Hirnorganoide bestehen aus Nervenzellen und Gliazellen, die Stütz- und Versorgungsgewebe bilden und miteinander kommunizieren [2, 3]. Dies macht Gehirnorganoide sowohl für die Analyse der normalen Gehirnentwicklung als auch für die Erforschung der Entstehung neurologischer Erkrankungen interessant [3]. Zugleich wirft diese Forschung aber auch ethische und juristische Fragen bezüglich einer Schutzpflicht auf [2]. Diese Schutzpflicht sei laut einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina aktuell nicht notwendig, da Hirnorganoide nicht die gleiche Komplexität wie menschliche Gehirne erlangen. Insbesondere müssten Hirnorganoide dafür Bewusstsein und Empfindungsfähigkeit besitzen, was – nach Auffassung der Leopoldina – aktuell nicht der Fall ist [1, 4]. Auch die Frage, ob weit entwickelten Hirnorganoiden ein vergleichbarer Schutz wie Embryonen zuzusprechen ist, wird in der Stellungnahme verneint, da sich Hirnorganoide aktuell – anders als Embryonen – nicht zu einem vollständigen Organismus oder Menschen entwickeln können. Die Autoren der Stellungnahme sehen daher auf absehbare Zeit keine regulierungsbedürftigen ethischen oder rechtlichen Fragen. Allerdings könnten die aktuellen Grenzen des Entwicklungspotenzials aufgrund der Forschungsdynamik auf dem Gebiet möglicherweise überwunden werden [2].

Die Stellungnahme wurde von der Arbeitsgruppe „Hirnorganoide — Chancen und Grenzen“ erarbeitet. Beteiligt waren dabei Wissenschaftler aus den Gebieten Medizin, Neurowissenschaften, Rechtswissenschaften, Medizinethik, Philosophie und Informationswissenschaften [2].

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