No Quviviq for old men (and women)?


Aus Expertensicht

Hans Förstl, München

Ein Quivittog ist ein grönländischer Eremit, der einsam durch die eisige Nacht streift. Dort würde man eigentlich auch noch in einigen Jahren gut schlafen können, während mit zunehmend heißen Sommern in Mitteleuropa und krisenbedingt kälteren Winternächten in schlecht beheizten Räumen eine weitere Zunahme von Schlafstörungen aller Art zu befürchten ist.

Studien zum Thema „Insomnie“ haben mit der wachsweichen Definition dieser Störung zu kämpfen, die derzeit sowohl hart Betroffene als auch hochbegabte Hypochonder und schwer Arzneimittelabhängige umfasst. Immerhin wurde für den dualen Orexin-Rezeptor-Antagonisten Daridorexant mit dem grönländisch anmutenden Handelsnamen Quviviq® trotz der Heterogenität der Patientengruppen gezeigt, dass er imstande ist, Einschlafzeiten und Wachphasen zu reduzieren. Dies scheint gelungen, ohne die Schlafphasen zu beeinträchtigen, und dieses Ergebnis besitzt aufgrund der aktuellen Erkenntnisse zum glymphatischen System, das nur im Tiefschlaf richtig arbeitet, besondere Bedeutung. Alle konventionellen Schlafmittel beeinträchtigen den Tiefschlaf und damit die nächtliche Spülung des Gehirns, zum Beispiel die Entfernung von Beta-Amyloid.

Ungünstig erscheint jedoch, dass Daridorexant eine wesentliche negative Eigenschaft schlaffördernder Phytopharmaka teilt, nämlich die Interaktion mit den Cytochrom-P450-Enzymen. Diesen Wechselwirkungen wird wegen ihrer Unübersichtlichkeit schon bei pflanzlichen Arzneimitteln zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt (da sie ja aus der Apotheke der Natur kommen). Bei einem neu eingeführten Medikament wird man sie genauer im Auge behalten müssen, vor allem bei den multimorbiden und polypharmazierten älteren Patienten mit primären und sekundären Insomnien, also genau bei jenen, die einsam durch die Nacht gehen, wie eben jener Quivittog, und besonders verzweifelt auf ein modernes, ideales Hypnotikum warten. Apropos einsam durch die Nacht: Orexin-Antagonisten ließen in den USA manche Patienten recht geistesabwesend durch die Nacht laufen, auch zum Kühlschrank (sleep eating) oder sogar zum Pkw (sleep driving).

Leider scheinen hepatische und somnambule Wirkungen dabei nicht das einzige Problem zu sein, sondern auch Schwindel und Sturzgefahr, die teilweise sogar durch eine pharmakogene Pseudo-Narkolepsie mit kataplektischer Symptomatik mitbedingt sein können. Dazu kommen mögliche Schlaflähmungen und die Narkolepsie-typischen Halluzinationen beim Einschlafen und Aufwachen. Affektive Erkrankungen sind häufig Komorbiditäten einer Insomnie im höheren Lebensalter. Dabei und auch bei Schlafapnoe und anderen Formen der Ateminsuffizienz kann eine Verwendung von Daridorexant bisher nicht empfohlen werden. Dies sind mehrere triftige Gründe, die Nebenwirkungen gerade bei älteren Patienten genau im Auge zu behalten, ehe eine breite Anwendung empfohlen werden kann. Falls die Substanz den Realitätstest in Phase IV auch bei multimorbiden Menschen besteht, könnte es sich für einsame Nachtgestalten tatsächlich um einen entscheidenden Schritt hin zum gesunden Schlaf, weg von bloßer Betäubung und Abhängigkeit handeln.

Prof. Dr. Hans Förstl ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie und ehemaliger Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am TUM Klinikum rechts der Isar.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der MMP zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber MMP-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren