Dr. Tanja Saußele, Stuttgart
Foto: Ferdinando Iannone
Bestimmt kennen Sie das auch: Sie bekommen einen (idealerweise bundeseinheitlichen) Medikationsplan eines Kunden in die Hand und das Feld in der Spalte „Grund“ ist gar nicht oder nur bei einigen Wirkstoffen ausgefüllt. Wenn Sie dann bei Ihrem Kunden genauer nachhaken, beispielsweise im Rahmen der erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation, kommen Aussagen wie: „Das nehme ich schon seit vielen Jahren; aber gegen was das genau ist, weiß ich jetzt auch nicht.“
Und schon sind wir beim Thema Protonenpumpenhemmer angekommen. Eine Wirkstoffgruppe, die zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in Deutschland gehört. Pantoprazol belegte 2022 mit knapp 730 Millionen definierten Tagesdosen (DDD), hinter Blutdruck- und Cholesterinsenkern, Platz 5 [2].
In der Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) „Klug entscheiden“ wird der kritische Einsatz von Arzneimitteln angemahnt. Hierzu zählt beispielsweise, dass eine Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer (PPI) bei Gabe von nichtselektiven nichtsteroidalen Antirheumatika (nsNSAR) zur Prophylaxe von gastroduodenalen Ulzera und deren Komplikationen nicht regelhaft erfolgen soll [1].
Aber wie sieht das bei anderen Indikationen wie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) aus? Zwar enthält unser Mageninhalt, im Gegensatz zu dem von Kühen (hier ist ein Reflux zum Wiederkäuen erwünscht), Säure, doch ein Reflux muss nicht immer sauer sein.
Wann und wie lange sind Protonenpumpenhemmer bei einer GERD indiziert? In der Übersicht „Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis“ ab Seite 130 geht Professor Joachim Labenz, Mitautor der S2k-Leitlinie [3], sowohl auf diese Frage als auch auf die weiteren medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankungen ein. Jeder von uns kennt die korrekte Einnahme und vermutlich auch die möglichen Langzeitnebenwirkungen der PPI. Doch Fakt ist: Bei den Langzeitnebenwirkungen ist die Evidenzlage sehr dünn. Da PPI die Säureproduktion hemmen, sind unerwünschte Wirkungen wie eine verminderte Resorption (z. B. Calcium und Vitamin B12) oder auch erhöhte Rate an gastrointestinalen Infektionen zwar plausibel. Die Daten, hauptsächlich aus Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien, können das allerdings nicht bestätigen und ein kausaler Zusammenhang zwischen der PPI-Einnahme und beispielsweise dem Auftreten einer Osteoporose oder Demenz ist alles andere als gesichert [3].
Im Gegensatz dazu steht aber fest: Allgemeinmaßnahmen zur Behandlung von Refluxbeschwerden können sogar wirksamer sein als eine PPI-Therapie. Und außer PPI können auch andere Arzneimittel oder Medizinprodukte bei Refluxbeschwerden eingesetzt werden.
Nehmen wir für eine evidenzbasierte Beratung unseren Kunden also die Angst vor den Langzeitnebenwirkungen einer notwendigen PPI-Therapie, denn hier überwiegt klar der Nutzen. Und machen wir unseren Kunden klar, dass eine Raucherentwöhnung oder ein hochgestelltes Kopfteil in bestimmten Fällen die bessere Behandlung darstellt.
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