Metabolismus-Marketing


Lipophile Fremdsubstanzen wie Arzneimittel werden von verschiedenene Enzymsystemen des Körpers in hydrophilere, leichter ausscheidbare Stoffe umgewandelt. Diese Biotransformation erfolgt vor allem in der Leber, aber auch im Darm, in den Nieren, in der Lunge, in Milz, Muskulatur und
Haut.

Diese Biotransformationsreaktionen laufen im Organismus völlig unabhängig davon ab, ob die gebildeten Metaboliten wirksam oder unwirksam, schädlich oder unschädlich sind.

Durch die Biotransformation können also Metaboliten ganz ohne Wirkung, aber auch mit schädlicher Wirkung entstehen. Die Verstoffwechslung eines Arzneistoffs beinhaltet daher immer eine Reihe von Unwägbarkeiten, die gewisse Risiken mit bedingen können. So können Metaboliten beispielsweise genotoxische oder zytotoxische Wirkungen haben. Auch radikalische Zwischenstufen, die bei Oxidations- und Reduktionsprozessen entstehen, können Schädigungen im Organismus auslösen. Oft ist es nicht möglich, alle Wirkungen aller Metaboliten eines Arzneistoffs detailliert zu prüfen. Das „Metaboliten- Risiko“ kann man nur durch Verwendung von Arzneistoffen verringern, die nicht oder nur sehr wenig biotransformiert werden.

In Produktinformationen wird meist zum Beispiel nur darauf hingewiesen, dass die Metaboliten pharmakologisch inaktiv sind. Diese pharmakologische Inaktivität bezieht sich aber in der Regel auf die Hauptwirkung des Arzneistoffs; was der Metabolit sonst noch im Körper macht, ist oft nicht bekannt.

Eine gewissen „Berühmtheit“ hat in den letzten Jahren die oxidative Verstoffwechslung von Pharmaka mit Hilfe des Cytochrom-P450-Enzymsystems (CYP) erlangt.

Es ist durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet:

1. Die Aktivität der CYP-Enzyme wird durch Erbfaktoren bestimmt. Genetische Polymorphismen sind beispielsweise für CYP2D6 und CYP2C19 bekannt.

2. Die Aktivität mancher CYP-Enzyme wird durch Induktion oder Hemmung reguliert.

Diese zweite Eigenschaft bedingt teilweise folgenreiche Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln. So kann es bei gleichzeitiger Gabe von zwei Substanzen, die mit Hilfe desselben Enzyms verstoffwechselt werden, zu einem verringerten Abbau eines oder beider Stoffe kommen. Die Plasmaspiegel können hierdurch in toxische Bereiche steigen.

In den letzten Jahren haben über diesen Mechanismus ausgelöste Interaktionen beispielsweise bei der Behandlung mit Psychopharmaka, Antiallergika, Antimykotika, Chinolonen oder auch Ciclosporin teilweise schwere Nebenwirkungen hervorgerufen und dadurch die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit vermehrt auf die Problematik der Wechselwirkungen gelenkt.

Diese „Konzentration“ auf CYP-Enyzme führte dann aber zu Marketing-Aussagen, dass eine Substanz deshalb keine Interaktionen haben sollte, weil sie nicht über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt wird. Dieser Umkehrschluss ist nicht richtig. Denn Arzneimittelinteraktionen sind ja nicht nur beim Metabolismus, sondern auch bei anderen pharmakokinetischen Vorgängen wie Resorption, Verteilung oder Ausscheidungsvorgängen und natürlich auch im Bereich der Pharmakodynamik möglich.

Bei Produktinformationen sind also vor allem zwei Aussagen im Zusammenhang mit der Metabolisierung mit Vorsicht zu betrachten:

1. Die Metaboliten sind pharmakologisch inaktiv

2. Die Substanz hat keine Interaktionen, weil sie nicht über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt wird.

Susanne Heinzl (sheinzl@wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de)

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