EditorialHeike Oberpichler-Schwenk

Die Plazebo-Wirkung des Therapeuten

ÜbersichtOlga Kordonouri, Wolfgang von Schütz, Nicola Meyer, Bärbel Aschemeier, Thorben Krachtund Thomas Danne, Hannover

Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Neue Strategien in Diagnostik und Therapie

Der Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. Die weltweite Inzidenz, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen, hat in den letzten Jahrzehnten mit einer jährlichen Steigerung von ungefähr 3 bis 5 % zugenommen. Die genaue Ätiologie und Pathogenese des Typ-1-Diabetes ist bisher noch immer nicht bekannt. Man nimmt an, dass gewisse Umweltfaktoren bei genetisch prädisponierten Patienten einen Entzündungsprozess triggern, der zu einer Zerstörung der Insulin produzierenden Betazellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas führt. Sind 80 % dieser Zellen zerstört, tritt die Erkrankung klinisch in Erscheinung. Die typische Symptomtrias besteht aus vermehrter Urinausscheidung, auffälligem Durstgefühl und Gewichtsverlust. Werden diese Symptome fehlgedeutet, führt dies zur Verzögerung der Diagnosestellung und zur Entwicklung einer lebensgefährlichen Entgleisung, nämlich zur diabetischen Ketoazidose. Die zentrale therapeutische Maßnahme der Diabetesbehandlung ist die Insulin-Therapie, die das physiologische Insulinsekretionsmuster bei Stoffwechselgesunden soweit wie möglich imitieren sollte (intensivierte Insulintherapie). Der wichtigste Parameter zur Beurteilung der aktuellen Stoffwechselsituation ist der Blutglucosewert, für die Bewertung der Langzeitsituation sind der mittlere Blutglucosewert und vor allem der HbA1c-Wert hilfreich. Neueste Systeme zur kontinuierlichen Glucosemessung im subkutanen Fettgewebe finden zunehmend ihre Anwendung in der Therapie des Typ-1-Diabetes, auch bei jungen Patienten.

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Type 1 diabetes in children and adolescents – new strategies in management and treatment

Type 1 diabetes (T1D) is the most common metabolic disease in childhood with an increasing incidence of about 3 to 5 % per year, particularly in preschool children. Despite substantial progresses in diabetes research concerning its pathogenesis and etiology in the last decades, there is no strategy for primary prevention in subjects with subclinical signs of diabetes. Nowadays, it is well-known that T1D is caused by partial or total destruction of pancreatic islet cells, resulting in progressive incapacity to produce insulin. This inflammation is of an autoimmune nature, resulting both from environmental and genetic influences. Children with T1D usually have a several day history of typical symptoms such as frequent urination, excessive thirst and weight loss, which appear when about 80 % of the pancreatic beta cells are already destroyed. If those symptoms are misinterpreted, the continuing hyperglycaemic metabolism leads to a potential life-threatening condition – the diabetic ketoacidosis. Patients with T1D require daily subcutaneous injections of insulin, with the overall aim to mimic the physiological release of insulin during meal-associated and fasting periods (intensive insulin therapy). The most important parameters to evaluate the effectiveness of insulin treatment are blood glucose monitoring and HbA1c. The increased availability of systems for continuous glucose monitoring may help patients to have a better insight into their metabolic conditions. Sensor-based insulin treatment is likely to have a significant impact on paediatric diabetes therapy and education in the future.

ÜbersichtStefan Ulrich Christl, Hamburg

Divertikulose

Die Divertikulose ist als Zivilisationsphänomen außerordentlich verbreitet. Die klinische Relevanz wird durch das Auftreten der typischen Krankheitsmanifestationen Divertikulitis (mit deren Komplikationen Abszedierung und Fistel), Divertikelblutung und chronische Schmerzen definiert. Obwohl für viele Aspekte der Therapie klare Evidenzkriterien fehlen, besteht überwiegend Konsens sowohl über die Wahl der geeigneten diagnostischen Mittel als auch über die konservative und operative Therapie. Allerdings bleiben offene Fragen, und einzelne Aspekte müssen aufgrund neuer Daten zur Diskussion gestellt werden. Solange verbindliche Evidenz-basierte Leitlinien fehlen, sollten daher eigene klinische Standards möglichst in interdisziplinären Arbeitsgruppen entwickelt werden.

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Diverticular disease of the colon

Diverticular disease of the colon is a common civilisatory phenomenon. Its clinical relevance is defined by the typical manifestations diverticulitis (incl. its complications abscess formation and fistulation), diverticular bleeding, and chronic pain. Although clear evidence criteria are missing on many aspects of the therapy, there is broad consensus on the suitable diagnostics as well as conservative and surcigal therapy. Nevertheless, there remain open questions, and due to new data, several aspects have to be put up to discussion. As long as there are no mandatory evidence-based guidelines, in-house clinical standards should be developed in interdisciplinary working groups.

ÜbersichtBettina Christine Martini, Legau

Unerwünschte Arzneimittelwirkung Optikusneuropathie

Einer Schädigung des Sehnervs (Optikusneuropathie) kann neben anderen Ursachen auch eine unerwünschte Arzneimittelwirkung zugrunde liegen. Die am häufigsten damit in Zusammenhang gebrachten Arzneistoffe sind Amiodaron, Ethambutol, Linezolid und Phosphodiesterase-Hemmer, wobei unter Ethambutol mit Abstand am häufigsten eine Schädigung auftritt, die auch irreversibel verlaufen kann. Alle hier genannten Arzneistoffe sind in ihrer Indikation hoch wirksam und von großem Nutzen, der durch die Diskussion um die Sehnervschädigung nicht in Frage gestellt werden soll. Vielmehr soll die Kenntnis der Nebenwirkung den verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln fördern und gegebenenfalls zu einem schnelleren Erkennen und Reagieren bei einer potenziellen Optikusneuropathie führen.

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Adverse effect optic neuropathy

Damage of the optic nerve (optic neuropathy) may be caused, apart from other reasons, by an adverse drug effect. The drugs most often discussed in this context are amiodarone, ethambutol, linezolid, and phosphodiesterase inhibitors. By far the most frequent cases appear with ethambutol and may be irreversible. All drugs mentioned here are highly effective in their indications, and their value shall not be questioned by the discussion on a possible damage of the optic nerve. Rather, the knowledge of this side effect shall enhance the responsible handling of drugs and permit a qucker recognition and reaction in case of an optic neuropathy.

ErnährungsforumUwe Gröber, Essen

Mikronährstoffe in der komplementären Onkologie

Die Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkungsmechanismen sind mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie deutlich steigen, andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und das onkologische Nebenwirkungsmanagement.

Der klinisch-pharmazeutische FallIyas Hamwi, Gesine Picksak und Dirk O. Stichtenoth, Hannover

Akzidentielle Paracetamol-Überdosierung

Paracetamol ist als frei verkäufliches Medikament eines der am häufigsten eingesetzten Schmerzmittel und das Analgetikum der ersten Wahl in der Schwangerschaft. Paracetamol hat jedoch eine geringe therapeutische Breite. Akzidentielle und suizidale Paracetamol-Überdosierungen zählen zu den häufigsten Ursachen für akutes Leberversagen. Jeder Patient muss daher im persönlichen Gespräch über den bestimmungsgemäßen Umgang mit Paracetamol aufgeklärt werden.

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Accidental acetaminophen overdose

Acetaminophen is an OTC medication and amongst the most used pain relievers. It is the analgesic of first choice in pregnancy. Because of its low therapeutic index, accidental and suicidal acetaminophen intoxication is one of the most common causes of acute liver failure. Thus, face-to-face counselling of patients on the proper use of acetaminophen is essential for drug safety.

Fragen aus der Praxis

Aciclovir zur Prophylaxe bei rezidivierendem Herpes labialis?

Ein 6-jähriger Junge hat seit sechs Monaten etwa alle vier Wochen einen Herpes labialis. HSV-Serologie: IgM negativ, IgG 1 : 1000. Ist eine dauerhafte Prophylaxe mit Aciclovir indiziert? Sollte die Therapie per os erfolgen und wenn ja, wie hoch dosiert und wie lange?

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Thromboseprophylaxe

Dabigatran-Etexilat in der Prävention ebenso wirksam wie Enoxaparin

Der oral verabreichte, direkt wirkende Thrombinhemmer Dabigatran (Pradaxa®) erwies sich bei der Vorbeugung venöser Thromboembolien nach einer Hüftgelenkersatz-Operation als ebenso wirksam und sicher wie subkutan injiziertes Enoxaparin.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Body-Mass-Index

Sind dicke Männer lebensfroher?

In einer prospektiven Kohortenstudie mit über 46 000 Männern stand über einen Beobachtungszeitraum von 16 Jahren ein höherer Body-Mass-Index in einem deutlichen Zusammenhang mit einem niedrigeren Suizidrisiko.

Referiert & kommentiertDr. Birgit Schindler, Freiburg

Brustkrebs

Schützt eine fettarme Kost vor Rezidiven?

Zwei große randomisierte klinische Studien zur Wirkung einer fettreduzierten Diät auf die Langzeit-Prognose nach einer Brustkrebserkrankung kommen teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während in der WHEL-Studie kein positiver Effekt nachgewiesen werden konnte, scheinen in der noch nicht vollständig publizierten WINS-Studie Frauen mit negativem Hormon-Rezeptor-Status von einer derartigen Ernährung zu profitieren. Insgesamt deuten die Studienergebnisse allerdings darauf hin, dass eine fettreduzierte Kost keinen speziellen Nutzen hat.

Referiert & kommentiertHelga Vollmer, München

Lipidsenker

Fermentierter roter Reis und CSE-Hemmer

Rotes Reismehl ist das Endprodukt von „normalem” Reis, der mit dem Rotschimmelpilz Monascus purpureus Went fermentiert wurde. Es enthält die Wirkstoffe Mevinolinsäure und Monacolin K, die mit dem Lipidsenker Lovastatin identisch sind. Auch die anderen „modernen“ CSE-Hemmer werden auf der Basis dieses Fermentationsprozesses hergestellt. Unter Bezeichnungen wie Cholestin, Monastin oder Monacolin handelt es sich beim fermentierten roten Reis um einen natürlichen Lipidsenker mit relativ wenigen Nebenwirkungen.

Referiert & kommentiertDr. Tanja Saußele, Stuttgart

Colitis ulcerosa

Remissionserhaltung Hoch dosierte Einmalgabe von Mesalazin

Die Remissionserhaltung spielt bei Colitis-ulcerosa-Patienten eine wichtige Rolle. Die regelmäßige Einnahme von Mesalazin (z. B. Pentasa®) kann nicht nur die Lebenqualität verbessern, sondern auch das Risiko verringern, an Darmkrebs zu erkranken. In der PODIUM-Studie wurde die 1-mal tägliche Gabe von 2 g Mesalazin mit der 2-mal täglichen Gabe von 1 g Mesalazin bei Colitis-ulcerosa-Patienten in Remission verglichen. Sowohl die Remissionsrate als auch die Compliance und Akzeptanz waren bei den Patienten, die das Medikament nur 1-mal täglich einnahmen, signifikant erhöht.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Diabetes mellitus Typ 2

Orale Antidiabetika im Vergleich

Im Vergleich zu neueren Substanzen (Thiazolidindione, Alpha-Glucosidase-Hemmer, Glinide) besitzen ältere Arzneistoffe wie Sulfonylharnstoffe und Metformin bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ähnliche oder sogar überlegene Wirkungen auf die Blutzuckerkontrolle und andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, erhöhte Lipidspiegel und Übergewicht. Um die Wirkungen verschiedener oraler Antidiabetika abschließend beurteilen zu können, fehlen allerdings noch große, vergleichende Langzeitstudien mit harten klinischen Endpunkten wie Herzinfarkt, chronischer Nierenerkrankung und kardiovaskulärer Letalität.

Referiert & kommentiertDr. B. Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Insulin-Sensitizer

Wie groß ist das kardiovaskuläre Risiko?

Seit der Markteinführung der Insulin-Sensitizer zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 gibt es Diskussionen über ihr Nutzen-Risiko-Profil. Im Blickpunkt steht dabei insbesondere die kardiale Toxizität dieser Substanzen. Neue Studienergebnisse sprechen dafür, dass verschiedene Vertreter dieser Arzneistoffklasse – untersucht wurden Pioglitazon und Rosiglitazon – unterschiedliche Profile in ihren Auswirkungen auf ischämische kardiovaskuläre Ereignisse besitzen.

Referiert & kommentiertDr. Beate Fessler, München

Allergische Rhinitis

Fluticasonfuroat-Nasenspray lindert Nasen- und Augensymptome

Intranasale Glucocorticoide sind fester Bestandteil im Therapieregime der allergischen Rhinitis. Mit Fluticasonfuroat ist nun eine Substanz mit besonders hoher Affinität zum Glucocorticoidrezeptor auf den Markt gekommen. Es bekämpft bei einmal täglicher Applikation nicht nur die nasale, sondern auch die okulare Symptomatik.