Risikobeurteilung von Plasmodien auf den Prüfstand?


Heike Oberpichler-Schwenk

Mit ihrem aggressiven Summen und ihren „blutrünstigen“ Übergriffen, gefolgt von juckenden Quaddeln, können sie einem manch laue Sommernacht verleiden. Dennoch werden Mücken hierzulande in erster Linie als lästig, aber nicht als Gefahr wahrgenommen. Das könnte sich ändern, wie Thomas Voigt im Titelbeitrag dieses Hefts ausführt.

Vorerst bergen Mückenstiche allerdings vor allem bei Reisen in die Tropen und Subtropen ein Infektionsrisiko. Am bekanntesten ist dabei die Malaria mit ihren Erscheinungsformen Malaria tertiana, Malaria quartana und Malaria tropica. Die schwerwiegendste Form ist die von Plasmodium falciparum verursachte Malaria tropica. Wie zwei unlängst veröffentlichte prospektive Kohortenstudien verdeutlichen, kann aber auch Plasmodium vivax, der Erreger der Malaria tertiana, eine gravierende Erkrankung hervorrufen [PLoS Medicine 2008;5(6):e127 und e128]. Beide Studien wurden auf Neuguinea durchgeführt, einem Gebiet mit hohem Malariarisiko. Neben P. falciparum und P. vivax kommen hier auch P. malariae und P. ovale vor.

Genton et al. führten ihre Studie in zwei ländlichen Gesundheitszentren in einer nordöstlichen Provinz von Papua-Neuguinea durch. Über 8 Jahre analysierten sie bei allen Patienten, die mit einer vermuteten Malariaerkrankung vorstellig wurden, das Blutbild und den Hämoglobinspiegel. Bei über der Hälfte der Patienten (55 %, n = 9 537) fanden sie Malariaerreger im Blut, in der Mehrzahl (72 %) nur P. falciparum, bei 20 % nur P. vivax, bei 4 % eine Mischinfektion. Von 7 759 Patienten mit Parasitämie und vollständigen klinischen Daten wiesen 483 eine schwere Malaria auf, gekennzeichnet durch Koma, Anfälle, Atemnot oder Anämie (Hb < 5 mg/dl).
Besonders häufig waren Kleinkinder betroffen, und hier wiederum die unter 2-Jährigen noch häufiger als die 2- bis unter 5-Jährigen. In der Gruppe der unter 5-Jährigen zeigten 11,7 % der mit P. falciparum Infizierten und immerhin 8,8 % der mit P. vivax Infizierten einen schweren Krankheitsverlauf. Besonders hoch war das Risiko bei einer Mischinfektion mit P. vivax und P. falciparum, hier wiesen 17,3 % einen schweren Krankheitsverlauf auf, bei den unter 2-Jährigen sogar 29 %.

Tjitra et al. werteten über 4 Jahre die Daten der ambulanten und stationären Patienten eines zentralen Krankenhauses im Süden von West-Papua (Indonesien) aus. Zwei Drittel (64 %) der infizierten Patienten trugen P. falciparum, 24 % P. vivax und 10,5 % eine Mischinfektion. Besonders hoch (47 %) war der Anteil der mit P. vivax Befallenen bei den stationär aufgenommenen unter 1-jährigen Kindern. Eine schwere Malariaerkrankung hatten 23 % der stationären Patienten mit P.-vivax-Nachweis, 20 % mit P. falciparum und 31 % mit einer Mischinfektion. Auch hier war das Risiko für einen schweren Verlauf bei den unter 5-Jährigen am größten. Die häufigste Komplikation bei schwerer Malaria war eine ausgeprägte Anämie, sowohl bei P.-vivax- als auch bei P.-falciparum-Befall.

Die Studien zeigen – zunächst für Neuguinea –, dass bei P.-vivax-Befall das Risiko für eine schwere Malariaerkrankung ähnlich hoch ist wie bei einer Infektion mit P. falciparum. Das ist beispielsweise bei importierten Erkrankungen zu berücksichtigen. Für das Szenario einer Rückkehr der Malaria nach Mitteleuropa ist es aber ebenfalls von Bedeutung, denn P. vivax stellt unter den Malariaerregern die geringsten Ansprüche an die Umgebungstemperatur, hätte also die größten Chancen, hier (wieder) endemisch zu werden. Einstweilen gilt aber noch, bei Reisen in Endemiegebiete die Prophylaxeempfehlungen zu berücksichtigen und bei unklarem Fieber nach der Rückkehr auch an Malaria zu denken.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der MMP zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber MMP-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren