Heike Oberpichler-Schwenk
Patienten mit einer schweren psychischen Erkrankung wie einer Schizophrenie oder bipolaren Störung haben gegenüber Gleichaltrigen aus der Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus. Mit zwei- bis dreimal so hoher Wahrscheinlichkeit weisen sie kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Dyslipidämie auf oder sind Raucher; auch Übergewicht und metabolisches Syndrom liegen bei diesen Patienten vermehrt vor.
Zu dem ungünstigen Risikoprofil trägt in vielen Fällen eine ungesunde Lebensführung mit schlechten Ernährungsgewohnheiten und wenig körperlicher Bewegung – auch als Ausdruck der psychischen Erkrankung – bei. Ein weiterer Risikofaktor ist die psychopharmakologische Behandlung, da zum Beispiel Antipsychotika in unterschiedlichem Ausmaß Gewichtszunahme oder Dyslipidämie hervorrufen.
Die Kontrolle und Behandlung kardiovaskulärer und metabolischer Risikofaktoren ist demnach bei Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen besonders geboten. Die Messung von Blutdruck, Blutzucker und -fetten gehört zum „Standardprogramm“ eines Hausarztes – den aber zum Beispiel ersterkrankte Schizophrenie-Patienten, also in der Regel junge Menschen, oft noch gar nicht haben. Daher sind die behandelnden Psychiater und Nervenärzte gefordert, die nötigen Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Um deren Blick für diese internistische Aufgabe zu schärfen, hat eine Arbeitsgruppe der European Psychiatric Association (EPA) zusammen mit der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und der European Society of Cardiology (ESC) eine Konsensus-Erklärung formuliert (de Hert et al., Eur Psychiatry 2009;24:412–24), die soeben in deutscher Übersetzung erschienen ist (Psychopharmakotherapie 2010;17:3–13). Demnach sollen bei allen Patienten bei der Erstvorstellung oder zu Behandlungsbeginn neben der Anamnese Blutdruck, Gewicht, Hüftumfang und Body-Mass-Index sowie Nüchternblutzucker und Blutfette bestimmt werden. Außerdem soll der Patient zu Lebensstilmodifikationen wie mehr körperlicher Bewegung und Rauchstopp beraten werden. Falls die Ergebnisse der körperlichen und der Laboruntersuchung im Normbereich liegen, werden erneute Kontrolluntersuchungen nach 6 und nach 12 Wochen, danach jährlich empfohlen. Die kurzen Kontrollintervalle zu Beginn dienen dazu, beispielsweise eine rasche initiale Gewichtszunahme festzustellen, um möglichst früh intervenieren zu können.
Falls die Ergebnisse außerhalb der Norm liegen, sollte dies bei der Auswahl des Antipsychotikums berücksichtigt werden. Beispielsweise können Clozapin und Olanzapin zu einer deutlichen Gewichtszunahme führen, während Aripiprazol, Amisulprid und Ziprasidon nur einen geringen Einfluss auf das Gewicht haben. Kein Wirkstoff ist aber als wirklich gewichtsneutral anzusehen. Über eine Umstellung des Antipsychotikums sollte nachgedacht werden, wenn der Patient deutlich zunimmt, insbesondere bei unzureichendem therapeutischem Ansprechen. Im Übrigen gilt es, eine Normalisierung der kardiovaskulären Risikofaktoren zu erreichen, bei Bedarf auch medikamentös. Dabei gelten die gleichen Normwerte für Blutdruck, BMI, Blutzucker und Blutfette wie für psychisch Gesunde. Für diese Behandlung wird in der Regel der Hausarzt oder ein entsprechender Facharzt hinzugezogen, schon deshalb, weil Psychiater dafür kein Budget haben. In ihrer Verantwortung liegt es aber, die Behandlung anzubahnen und den Patienten über die Problematik des erhöhten kardiovaskulären Risikos im Rahmen seiner Krankheit und deren Therapie zu informieren.
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