EditorialHeike Oberpichler-Schwenk

Antidiabetika: auch bekannte Wege bieten Neues

Pharmakologie aktuellIris Hinneburg, Halle (Saale)

Neue Targets am Horizont

Ein Blick in die Pipeline der Antidiabetika

Die zunehmende Anzahl an Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 beflügelt die Entwicklung neuer Antidiabetika. Dabei richtet sich der Blick auch auf völlig neue Targets wie den Natrium-abhängigen Glucosetransporter SGLT2 in der Niere, Enzyme des Glucosestoffwechsels in der Leber und andere Wirkprinzipien, die den Blutzuckerspiegel senken und die Insulinresistenz überwinden können. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche der Arzneistoffe, die sich derzeit in der klinischen Prüfung befinden, die Zulassung erhalten werden.

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New targets in type 2 diabetes therapy

The growing number of patients with type 2 diabetes stimulates the development of new antidiabetic drugs. New targets are addressed, as SGLT2 in the kidney or enzymes of glucose metabolism in the liver which might help to lower glucose levels and to overcome insulin resistance. The forthcoming years will show which of the drugs in clinical trials will get marketing authorization.

ÜbersichtFritzi Siegert und Karen Nieber, Leipzig

Neue Therapieansätze zur Behandlung des Reizdarmsyndroms

Jeder Bundesbürger erkrankt durchschnittlich einmal jährlich an einer Störung des Gastrointestinaltrakts. Aus dieser hohen Prävalenz ergeben sich erhebliche Kosten im Bereich des Gesundheitssystems und der Wirtschaft. Diese Störungen umfassen neben Entzündungen durch Übersäuerung des Magens häufig Symptome eines Reizdarmsyndroms wie ungeklärte Durchfälle, Übelkeit, Flatulenz oder Krämpfe. Einige dieser Symptome sind auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu beobachten. Das Krankheitsbild Reizdarmsyndrom wird seit Jahrzehnten intensiv beforscht. Trotzdem ist bisher nur eine symptomatische Therapie möglich, die oftmals unbefriedigend ist.

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New therapeutical approaches for treatment of irritable bowel syndrome

Irritable bowel syndrome is a common functional disorder of the gut. The cause is not known. Symptoms can be quite variable and include abdominal pain, bloating, and sometimes bouts of diarrhea and/or constipation. It causes a great deal of discomfort and distress, but it does not permanently harm the intestine and does not lead to a serious disease, such as cancer. There are numerous treatment options in functional gastrointestinal disorders acting peripherally by influencing motility and visceral sensitivity. However, older 5-HT4 receptor agonists had limited clinical success because they were associated with changes in the cardiac function. New generation 5-HT4 receptor agonists, 5-HT3 antagonists or partial antagonists are promising approaches to treat gastrointestinal dysmotility, particularly colonic diseases. A further new approach is the activation of chloride cannels within the gastrointestinal wall by the prostaglandin E metabolite lubiprostone. In patients with chronic constipation, lubiprostone produced a bowel movement, with sustained improvement in frequency as well as other constipation symptoms. Ongoing clinical trials suggest that linaclotide, a first-in-class, 14-amino acid peptide guanylate cyclase C (GC-C) receptor agonist and intestinal secretagogue is also an effective treatment for chronic constipation. The pharmacological profile suggests that orally administered linaclotide may be capable of improving the abdominal symptoms and bowel habits of patients suffering from of constipation-predominant irritable bowel syndrome and chronic constipation. Data are emerging, but the efficacy and safety profile of these agents in the treatment irritable bowel disease appears encouraging. Further randomized controlled trials are warranted.

Key words: Irritable bowel syndrome, pain, serotonin receptor ligands, lubiprostone, linaclotide, ROM III criteria

ÜbersichtMarita Kölzsch, Juliane Bolbrinker, Matthias Huber, Reinhold Kreutz, Berlin

Unangemessene Arzneistoffe für geriatrische Patienten

Anpassung und Bewertung einer französischen Konsensusliste

Angesichts der demographischen Entwicklung in vielen Industrienationen ist die Pharmakotherapie bei älteren Patienten eines der am meisten diskutierten Themen der letzten 20 Jahre. Ziel dieser Arbeit war es, eine französische Konsensusliste mit unangemessenen Arzneistoffen für Ältere für Deutschland anzupassen und zu bewerten. Dazu wurde ein umfangreicher Literaturreview zur Sicherheit der im französischen Original genannten Arzneistoffe durchgeführt. Von ursprünglich 34 Kategorien mit 121 Arzneistoffen in der französischen Liste wurden 12 Kategorien von uns als angemessen und damit anwendbar eingestuft, alle anderen sind auch unserer Meinung nach bei älteren Patienten risikobehaftet und zu vermeiden. Besonders häufig wurden Stoffe mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem wie Anticholinergika und Benzodiazepine negativ bewertet.
Die vorliegende überarbeitete Liste ist als Hilfe für verschreibende Ärzte und beratende Apotheker zur Sicherstellung einer sicheren Pharmakotherapie bei Älteren gedacht – möglicherweise kann sie auch die Diskussion zu diesem Thema in Deutschland vorantreiben.

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Potentially inappropriate medication for the elderly: adaptation and evaluation of a french consensus list

Background: Appropriate pharmacotherapy is one of the most important topics due to demographic development in many industrialised countries. The purpose of our work was to evaluate and adjust a French consensus list for Germany.

Materials and Methods: We conducted a thorough literature review with regard to the safety of drugs for the elderly.

Results: Originally, 34 criteria containing drugs or drug classes were classified as inappropriate. From these, we evaluated 12 criteria as appropriate, and all others as potentially inappropriate, too. Frequently, drugs affecting the central nervous system, for example anticholinergics and benzodiazepines, were evaluated as potentially inappropriate medication.

Conclusion: Our adapted list may be used as recommendation for appropriate drug prescribing in the elderly in Germany.

Key words: Inappropriate prescribing, elderly, pharmacotherapy, appropriateness

BerichtPeter Stiefelhagen, Hachenburg

Medikamentöse Therapie des kardiogenen Schocks

Die Verbesserung der Hämodynamik ist essenziell

Die gefährlichste Komplikation des akuten Myokardinfarkts ist der kardiogene Schock, der trotz gewisser Behandlungsfortschritte weiterhin mit einer sehr hohen Letalität einhergeht. Um die Prognose betroffener Patienten zu verbessern, ist die sofortige perkutane Koronarintervention (PCI) unverzichtbar. Doch auch die medikamentöse kreislaufunterstützende Therapie mit Inotropika und Vasopressoren ist ein essenzieller Bestandteil der Therapie. Die Möglichkeiten wurden im Rahmen der Wiener Intensivmedizinischen Tage im Februar 2010 diskutiert.

Fragen aus der Praxis

Interaktionen zwischen Johanniskrautextrakt und Finasterid?

Können bei der gleichzeitigen Einnahme von Finasterid und Johanniskrautextrakt Wechselwirkungen auftreten?

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Therapie der Insektengiftallergie

Notfallset und Hyposensibilisierung

Rund 20% der deutschen Bevölkerung reagieren auf Bienen- und Wespenstiche allergisch, das heißt, sie entwickeln starke Hautsymptome oder systemische Reaktionen wie Atemnot und Blutdruckabfall. Solche Patienten erhalten ein „Notfallset“ mit Antihistaminikum und Glucocorticoid, bei schwereren Reaktionen zusätzlich auch einem Epinephrin-Pen zur Selbstinjektion. Langfristigen Schutz bietet die Hyposensibilisierung mit Bienen- oder Wespengift. Die Grundsätze der Behandlung bei Insektengiftallergie wurden bei einem Symposium der Firma Bencard Allergie in Dresden vorgestellt.

Referiert & kommentiertDr. Claudia Heß, Mainz

Reiseimpfung

Schutz vor invasiven Meningokokken-Infektionen

Für Erwachsene und Kinder ab 11 Jahren steht seit Kurzem ein quadrivalenter Meningokokken-Konjugatimpfstoff gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y zur Verfügung. Themen einer Pressekonferenz von Novartis Vaccines anlässlich der Markteinführung des Impfstoffs waren die weltweite Verbreitung der Errreger, Symptomatik und Verlauf der Erkrankung sowie Eigenschaften des neuen Impfstoffs.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Migräneprophylaxe

Kurzzeitige Einnahme von Frovatriptan bei der menstruellen Migräne wirksam

In einer randomisierten, multizentrischen, Plazebo-kontrollierten Studie war die 6-tägige Einnahme von Frovatriptan zur Prophylaxe der menstruellen Migräne wirksam.

Referiert & kommentiertProf. Dr. H.-C. Diener, Essen

Migräne

Transkranielle Magnetstimulation zur Behandlung akuter Migräne-Attacken mit Aura

Eine Behandlung mit transkranieller Magnetstimulation kann bei Patienten, die unter einer Migräne mit Aura leiden, den Anteil an Patienten, die nach zwei Stunden schmerzfrei sind, gegenüber einer Scheinstimulation signifikant erhöhen. Die Behandlung erfolgte mithilfe eines tragbaren Geräts durch die Patienten selbst. Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Magnetstimulation standen, traten nicht auf.

Referiert & kommentiertDr. med. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Rauchen

Bestimmte Genvarianten korrelieren mit der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten

Drei Metaanalysen kommen zu dem Ergebnis, dass Rauchen zumindest zum Teil genetisch bedingt ist. Diese Ergebnisse stehen in Übereinstimmung mit früheren Studien.

Referiert & kommentiertAbdol A. Ameri, Weidenstetten

Einblicke in das menschliche Gehirn

Was geschieht bei ökonomischen Entscheidungen?

Ökonomische Entscheidungen werden rein rational getroffen? – Ein Irrglaube. Das neue Forschungsgebiet der Neuroökonomie, ein interdisziplinärer Zusammenschluss aus Neuro- und Wirtschaftswissenschaften, untersucht gezielt die neuronalen Prozesse und involvierten Hirnareale, die in ökonomische und finanzielle Entscheidungsfindungen involviert sind. Mithilfe moderner bildgebender Verfahren gelingt es, die tiefen Strukturen dieses Entscheidens direkt zu betrachten und zu analysieren. Erste Ergebnisse bestätigen, was viele bereits geahnt haben: Ökonomische Entscheidungen unterliegen in erheblichem Maße dem Einfluss des Belohnungszentrums des Gehirns und entziehen sich teilweise einer rationalen Kontrolle.

Referiert & kommentiertAndrea Warpakowski, Itzstedt

Altersmedizin

Steigender Versorgungsbedarf bei chronischen und chronisch-degenerativen Erkrankungen

Demographischer Wandel und medizinischer Fortschritt führen zu einem steigenden Behandlungs- und Pflegebedarf für multimorbide, chronisch-kranke ältere Patienten. Dem stehen sinkende Einnahmen durch den steigenden Altenanteil und ungünstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen gegenüber. Mittelumschichtungen mit neu festgelegten Prioritäten, darunter vor allem Prävention, könnten dem steigenden Bedarf entgegenwirken. Dies wurde bei einer gesundheitspolitischen Veranstaltung der Firma MSD Sharp & Dohme im Rahmen des diesjährigen Internistenkongresses diskutiert.

Referiert & kommentiertDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Isoliert systolische Hypertonie

Kombination ACE-Hemmer plus Calciumkanalblocker verhindert Folgeschäden

Jenseits des 50. Lebensjahres ist die isoliert systolische Hypertonie (ISH) die häufigste Form des Bluthochdrucks und zugleich einer der wichtigsten Risikofaktoren für kardio- und zerebrovaskuläre Ereignisse. Die Fixkombination aus dem ACE-Hemmer Enalapril und dem Calciumkanalblocker Nitrendipin (Eneas®) ist ein gut wirksames und verträgliches Behandlungskonzept, das vaskuläre Komplikationen verhindern kann, so das Fazit eines von den Firmen Merck Serono und Trommsdorf Arzneimittel im Rahmen der 76. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie e.V. veranstalteten Satellitensymposiums.

Referiert & kommentiertProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Gerinnungsmanagement

Kombinationen von Antithrombotika erhöhen das Risiko für schwerwiegende Blutungen

Eine große dänische Register-Studie zeigt, dass die Kombination von Thrombozytenfunktionshemmern bei Patienten nach Myokardinfarkt das Risiko schwerwiegender Blutungen gegenüber einer Monotherapie deutlich erhöht. Auch die Kombination von Vitamin-K-Antagonisten mit Thrombozytenfunktionshemmern erhöht das Blutungsrisiko. Daher muss insbesondere bei Kombinationstherapien eine sorgfältige Abwägung des Nutzens (Vermeidung ischämischer Ereignisse) gegenüber einem potenziellen Schaden (Blutung) erfolgen.

Referiert & kommentiertDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Tiefe Beinvenenthrombose und Lungenembolie

Wie wirksam und sicher ist Edoxaban?

Die Standardtherapie bei einer tiefen Beinvenenthrombose oder Lungenembolie umfasst die Gabe eines niedermolekularen Heparins s.c. gefolgt von der oralen Gabe eines Vitamin-K-Antagonisten, was mit einer Reihe von Problemen einhergeht. Eine neue vielversprechende Option ist der orale Faktor-Xa-Inhibitor Edoxaban. Die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Substanz soll jetzt in einer multizentrischen Phase-III-Studie bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie untersucht werden. Das Studiendesign wurde bei einer Pressekonferenz der Firma Daiichi Sankyo anlässlich der 54. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung (GTH) vorgestellt.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Lungenkarzinom

Am Gefäß angreifende Therapieansätze

Als einziger Angiogenesehemmer ist derzeit Bevacizumab für die Therapie von Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) zugelassen. Mit den Vascular disrupting Agents (VDA) befindet sich eine neue Substanzgruppe in der Entwicklung, die bereits bestehende Gefäße zerstört.