EditorialBirgit Hecht, Stuttgart

Pharmazie als Wissenschaft

Von der Hochschule zur Praxis und wieder zurück

Pharmakologie aktuellJulia von Bülow, Kiel

Aquaporine

Wasserkanäle in der Zellmembran und therapeutische Zielstrukturen

Aquaporine sind Membranproteine, die den schnellen Transport von Wasser und anderen kleinen Soluten durch Zellmembranen ermöglichen. Sie kommen in allen Reichen des Lebens vor. Alleine dreizehn Isoformen finden sich im Menschen, wo sie spezifische Gewebs- und Zellverteilungen aufweisen. Aquaporine sind assoziiert mit vielen physiologischen Funktionen wie der Aufrechterhaltung der Wasserhomöostase im Körper, werden aber auch mit pathophysiologischen Erscheinungen wie der Krebsentstehung und -ausbreitung in Verbindung gebracht. Neues Wissen über die Struktur und Funktion der einzelnen Aquaporine führte in den letzen Jahren zu immer neuen Ansätzen, Aquaporine als Diagnostika und Wirkstoffziele zu nutzen.

FlaggeEnglish abstract

Aquaporins – water channels in the cell membrane and therapeutic targets

Aquaporins are membrane proteins that facilitate the rapid movement of water and other small solutes across biological membranes. They have been found in all kingdoms of life. In humans thirteen aquaporin isoforms exist with specific tissue and cell distribution. Aquaporins are linked to physiological functions like maintaining water homeostasis in the whole body as well as to patho-physiological conditions like cancer formation and spreading. Increasing knowledge about the structure and function of aquaporins led to new approaches using aquaporins as diagnostics and drug targets.

ÜbersichtAndré Schäftlein, Franziska Simmel und Charlotte Kloft, Berlin

Neue Wege der Dosisoptimierung und individualisierten Pharmakotherapie?

Konzentrationsbestimmung von Arzneistoffen und ihre pharmakokinetische Auswertung am Wirkort. Teil 1

Messungen von Arzneistoffkonzentrationen im Blut sind häufig nur ein Surrogat für Konzentrationen im peripheren Gewebe und damit an Wirkorten. Durch arzneistoffspezifische und physiologische Faktoren kann jedoch die Konzentration im Blut erheblich von der Konzentration am Wirkort abweichen. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren versucht, Methoden zur Messung von Arzneistoffkonzentrationen am Wirkort zu entwickeln. Die Mikrodialyse stellt hierfür die Methode der ersten Wahl dar, um ungebundene Arzneistoffkonzentrationen im Zielgewebe kontinuierlich zu messen. Um diese Messungen auszuwerten und somit Aussagen über den gesamten Arzneistoffkonzentrations-Zeit-Verlauf am Wirkort zu generieren, können verschiedene Datenauswertetechniken eingesetzt werden. Ziel dabei ist, Entscheidungshilfen für die optimale Dosis 1) für neue Arzneistoffe im Rahmen der klinischen Forschung und Entwicklung und 2) im klinischen Alltag für Arzt und Apotheker bereit zu stellen. Um diese Ziele bestmöglich zu erreichen, stellt der sogenannte Nonlinear-mixed-Effects-(NLME-)Modellierungsansatz die Methode der ersten Wahl dar. Diese Auswertungsmethode ermöglicht es, neben dem typischen Konzentrations-Zeit-Profil die Variabilität innerhalb einer untersuchten Patientenpopulation zu charakterisieren. Des Weiteren ist es möglich, die Variabilität in der untersuchten Population durch patientenspezifische Charakteristika wie beispielsweise das Gewicht zu erklären. Ein solcher Zusammenhang ist die Grundlage für eine rationale Dosisindividualisierung. Eine systematische Literaturrecherche in der Literaturdatenbank „Pubmed“ zeigte für die Arzneistoffgruppe der Antiinfektiva und deren Anwendung am Menschen, dass die Techniken der Mikrodialyse und der NLME-Ansatz nur selten miteinander verknüpft werden. Somit gilt es in den kommenden Jahren, die Vorteile der beiden Methoden der ersten Wahl zu nutzen, um unsere Kenntnisse über Antiinfektiva am Wirkort zu verbessern und auf dieser Basis ihre Anwendung zu optimieren.

Klinische PharmazieAnna Laven und Stephanie Läer, Düsseldorf

Bedarf von Pharmazeuten an evidenzbasierten Leitlinien für die Selbstmedikation

Die Beratung in der Selbstmedikation verlangt eine zunehmende Verantwortung des pharmazeutischen Personals. Eine gute Grundlage für ein verantwortungsvolles Beratungsgespräch kann die Anwendung von evidenzbasierten Leitlinien sein. In solchen Leitlinien sind die Erkenntnisse (die Evidenz) über erwünschte und unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln in systematischer Weise zusammengetragen und bewertet. Die genauen Anforderungen an den Inhalt der Leitlinien sollten von den Erfordernissen des Alltags der öffentlichen Apotheke abgeleitet werden. Wir führten zwischen März und August 2012 drei Umfragen durch, in denen zunächst herausgefunden werden sollte, welches Interesse pharmazeutische Fachkräfte an evidenzbasierten Leitlinien haben. Weiterhin wurde erfragt, wie die Beratung derzeit aufgebaut ist und welche Kriterien für die Auswahl eines Selbstmedikationsarzneimittels verwendet werden. An den Umfragen beteiligten sich 365, 350 bzw. 486 pharmazeutische Fachkräfte. Die Ergebnisse zeigen ein großes Interesse an Leitlinien. Die befragten Apothekenmitarbeiter fühlen sich bei der Überprüfung der Eigendiagnose der Kunden, bei der Beachtung der Selbstmedikationsgrenzen sowie bei der Auswahl des aus eigener Sicht „richtigen“ Wirkstoffs sicher. Gleichzeitig fällt allerdings auf, dass die von Apothekenkunden am häufigste geäußerte Kritik die fehlende Wirksamkeit der ausgewählten Medikamente ist. Das könnte dafür sprechen, dass doch nicht das „richtige“ Medikament ausgewählt wurde. Bisher benutzte Kriterien für die Auswahl eines Medikaments sollten daher einer evidenzbasierten Entscheidung Platz machen. Die Umfragen ergaben weiterhin, dass sich die Teilnehmer je nach Indikation in bis zu 52% der Fälle in Bezug auf mögliche Wechselwirkungen oder Kontraindikationen weniger sicher bis unsicher fühlen. Auch in diesem Zusammenhang ist es also notwendig, vorhandene Daten so praxisnah aufzubereiten, dass sie in der Offizinapotheke unmittelbar eingesetzt werden können.

FlaggeEnglish abstract

Pharmacist’s requirements for evidence-based self-medication guidelines

Due to the removal of many pharmaceuticals from the prescription requirement, self-medication implies an increasing responsibility for pharmacists towards their patients. The application of evidence-based guidelines could be a responsible basis for consulting in pharmacies. Evidence-based guidelines represent the systematically accumulated and evaluated facts (the evidence) of desired and undesired effects of pharmaceuticals in the population. We wanted to find out which interest pharmaceutical professionals have in evidence-based guidelines and which are the exact requirements on their content, deducted from public pharmacies everyday demands. With this purpose, three surveys were conducted between March and August 2012, in which 365, 350, and 486 pharmaceutical professionals participated respectively. The results show that pharmacy staff is very interested in evidence based guidelines. Furthermore, they suggest that the pharmacy staff feel safe with the self-diagnosis of the customer, with the consideration of limits of self-medication, as well as with the selection of the – according to own assessment – appropriate active substance. For the selection of the correct active substance, the following criteria are named: self-security in the counselling, first-hand experiences as well as the wish of the customer. At the same time, it is striking that the most frequent critique the pharmacy staff gets from pharmacy customers is the lack of effectiveness of the selected medication. With that in mind, it is possible that not the appropriate medication was selected, and the chosen criteria as selection method should be replaced by an evidence-based decision. Secondly, the results show that in up to 52% of the cases, depending on the indications, the participating consultants felt less certain to uncertain with regards to possible interactions or contraindications. Also in this context, it is desirable to prepare the existing data in such a practical way, that the pharmacies are able to apply them directly.

InterviewInterview mit dem Suchtpräventions-Beauftragten der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Dr. Ernst Pallenbach

Mehrwert durch pharmazeutische Beratung

Was können Apotheker zur Verhinderung von Arzneimittelabhängigkeit und -missbrauch tun?

Dr. Ernst Pallenbach, Villingen-Schwenningen, beschäftigt sich seit Langem mit Fragen der Arzneimittelabhängigkeit, insbesondere der Benzodiazepin-Abhängigkeit im Alter, und wurde aufgrund seiner Expertise von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zum Suchtpräventions-Beauftragten berufen. Wir befragten ihn zur Rolle von Apothekern bei der Prävention, Erkennung und Behandlung von Arzneimittelabhängigkeit und -missbrauch und zu seinen persönlichen Aufgaben als Suchtpräventions-Beauftragter.

Referiert & kommentiertDr. Dr. Tanja Neuvians, Ladenburg

Rheumatoide Arthritis

Kein generell erhöhtes Krebsrisiko durch Biologika

Patienten mit rheumatoider Arthritis, die nicht auf herkömmliche Antirheumatika ansprechen, können oftmals erfolgreich mit Biologika behandelt werden. Bedenken, dass die Anwendung dieser Medikamente mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergehen könnte, wurden in einer Metaanalyse von 63 klinischen Studien nicht bestätigt.

Referiert & kommentiertDr. Beate Fessler, München

Psoriasis vulgaris

Lokaltherapie mit Calcipotriol/Betamethason-Gel auf dem Prüfstand

Auch im Zeitalter von Biologika hat die lokale Therapie der Psoriasis vulgaris einen hohen Stellenwert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Adhärenz und die hängt bei Dermatika auch von der Galenik ab. Die Kombination aus Calcipotriol und Betamethason als Gel wurde nun in einer nichtinterventionellen Studie mit Blick auf Praktikabilität und Verbesserung der Lebensqualität geprüft. Die Studie wurde bei einem von LeoPharma veranstalteten Seminar vorgestellt.

Referiert & kommentiertHelga Vollmer, M. A., München

Chronische Handekzeme

Handekzem ist belastend, die Therapie oft schwierig

Es juckt, schmerzt, stört den Schlaf und zwingt rund 20% der Betroffenen zur Aufgabe ihres Berufs oder zur Umschulung: das chronische Handekzem. Auslöser, Symptome, Formen und Therapiemöglichkeiten dieser Hauterkrankung waren Thema einer Gesprächsrunde der Münchner Medizin-Journalisten.

Referiert & kommentiertDr. Beate Fessler, München

Nebenwirkung Hand-Fuß-Syndrom

Antioxidativ wirksame Salbe soll Hautschädigung verhindern

Das Hand-Fuß-Syndrom als Nebenwirkung einer Chemotherapie kann Patienten stark belasten und eine Reduktion der Zytostatika-Dosis bis hin zum Abbrechen der Therapie erforderlich machen. Fluoreszenzmikroskopische Untersuchungen zeigten nun, dass Zytostatika über die Schweißdrüsen auf die Haut gelangen, Sauerstoffradikale bilden und so die Hautzellen an Händen und Füßen schädigen. Eine Salbe mit hohem antioxidativem Potenzial scheint diesem Prozess entgegenzuwirken. Sie wurde bei einem von medac unterstützten Fachpresse-Workshop vorgestellt.

Referiert & kommentiertDr. Claudia Bruhn, Schmölln

Aktinische Keratose

Imiquimod in neuer Konzentration zur Flächentherapie zugelassen

Der topische Immunmodulator Imiquimod ist nun auch in einer 3,75%igen Creme (Zyclara®) verfügbar und wie die seit 2006 zugelassene 5%ige Zubereitung (Aldara®) zur Behandlung der aktinischen Keratose zugelassen. Daten zur Anwendung und Wirksamkeit der niedriger konzentrierten Imiquimod-Creme wurden im Rahmen einer Pressekonferenz der Firma MEDA Pharma in Berlin vorgestellt.

Referiert & kommentiertSonja Schmitzer, Berlin

Metastasiertes Kolorektalkarzinom

Neuer Therapiealgorithmus mit Bevacizumab

Der Angiogenesehemmer Bevacizumab kann nun auch über die erste Tumorprogression hinaus und damit sowohl im Rahmen der First-Line- als auch, fortgesetzt, in der Second-Line-Therapie gegeben werden. Bei geringer Toxizität verlängert Bevacizumab das Leben der Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom signifikant. Die Studienergebnisse, die letztendlich zu einem erweiterten Therapiealgorithmus geführt haben, wurden im Rahmen eines Pressegesprächs der Firma Roche vorgestellt.

Referiert & kommentiertChristine Vetter, Köln

Multiple Sklerose

Bald neue Therapiemöglichkeiten mit Teriflunomid und Alemtuzumab?

Die Therapieoptionen bei multipler Sklerose werden möglicherwiese noch im Laufe dieses Jahres um zwei neue Arzneimittel erweitert. Teriflunomid senkte die Schubrate und die Behinderungsprogression in Studien signifikant gegenüber Plazebo und vereinfacht die Therapie, indem es nur einmal täglich oral eingenommen wird. Der monoklonale Antikörper Alemtuzumab bindet selektiv an das Oberflächenantigen CD52 auf B- und T-Lymphozyten, wird nur einmal jährlich als Behandlungszyklus über fünf Tage verabreicht und bewirkte gegenüber einer Standardtherapie mit Interferon beta eine signifikante Reduktion der Schubrate und der Behinderungsprogression. Aktuelle Studienergebnisse zu diesen beiden Wirkstoffen wurden bei einer von Genzyme veranstalteten Pressekonferenz im Nachgang zum Jahreskongress des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) vorgestellt.

Referiert & kommentiertRosemarie Ziegler, Albershausen

Dranginkontinenz

Orale Anticholinergika ähnlich gut wirksam wie Botulinumtoxin-Injektion

In einer doppelblinden, randomisierten Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von oralen Anticholinergika bei Dranginkontinenz mit der Injektion von Botulinumtoxin A in den Detrusor verglichen. Beide Wirkstoffe besserten das Leiden insgesamt etwa gleich gut. Das Botulinumtoxin führte bei wesentlich mehr Frauen zum völligen Rückgang der Dranginkontinenz, hatte aber schwerere Nebenwirkungen.

Referiert & kommentiertBirgit Hecht, Stuttgart

Gesundheit im Alter

Risikofaktor Einsamkeit bei Senioren

Bei über 60-Jährigen ist Einsamkeit sowohl mit einem vermehrten körperlichen Abbau als auch einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert. Das ergab eine amerikanische Erhebung bei mehr als 1500 Senioren.