Heike Oberpichler-Schwenk
Um neue Arzneimittel zu entwickeln, können verschiedene Wege beschritten werden, unter anderem das Screening von potenziellen Wirkstoffen an verschiedenen Modellsystemen, die Identifizierung neuer molekularer Zielstrukturen (z.B. Rezeptoren, Ionenkanäle, Enzyme), um passgenaue Wirkstoffe konstruieren zu können, oder die Abwandlung bekannter Wirkstoffmoleküle. Ein weiterer Ansatz ist die Modifikation der Darreichungsform eines bekannten Wirkstoffs, zum Beispiel mit dem Ziel, eine raschere (oder im Gegenteil eine verlängerte) Wirkung zu erreichen oder die Applikation zu vereinfachen. Hier sind galenische und auch physiologische Kenntnisse gefragt. Zwei aktuelle Beispiele für interessante neue Applikationsformen seien hier vorgestellt.
Das Neuroleptikum Loxapin wurde bereits in den 1970er-Jahren in einigen europäischen Ländern zugelassen, allerdings nicht in Deutschland, und war zuletzt in Frankreich, Spanien, Dänemark, Großbritannien, Irland, Indien, den USA und Kanada auf dem Markt [1, 2]. Loxapin ist ein Dopamin-D2-Antagonist und Serotonin-5-HT2A-Antagonist und wirkt außerdem anticholinerg, antihistaminerg und anti-alpha-adrenerg. Als erstes Neuroleptikum wurde Loxapin dann für die inhalative Anwendung entwickelt. Diese Applikationsform erhielt im Februar 2013 von der Europäischen Kommission die Zulassung für die schnelle Beherrschung von leichter bis mittelschwerer Agitation bei Patienten mit Schizophrenie oder Bipolarstörung (Adasuve®). In dieser Akutsituation werden bisher vor allem injizierbare Neuroleptika eingesetzt. Die Inhalation von Loxapin wird durch ein spezielles Inhalationssystem (Staccato®) ermöglicht. Beim Einatmen durch das Mundstück des Systems wird batterieunterstützt die Erhitzung eines Heizelements in Gang gesetzt, das mit Loxapin (als Base) beschichtet ist. Der Wirkstoff verdampft und wird als Aerosol eingeatmet. Die agitationsdämpfende Wirkung tritt sehr rasch, innerhalb von etwa zehn Minuten ein, wie in zwei randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studien nachgewiesen wurde. Insbesondere bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma bronchiale können Bronchospasmen auftreten, deshalb darf die Anwendung nur stationär erfolgen und es muss ein Beta2-Sympathomimetikum verfügbar sein. Adasuve® ist für die ein- oder höchstens zweimalige Anwendung innerhalb von 24 Stunden zugelassen, anschließend ist der Patient auf ein anderes Antipsychotikum umzustellen. Inwieweit Ärzte und Patienten die inhalative Anwendung gegenüber anderen Akutantipsychotika als vorteilhaft ansehen, muss sich noch erweisen.
Noch in der klinischen Prüfung ist eine subkutane Applikationsform des HER2/neu-Antikörpers Trastuzumab (Herceptin®). Die subkutane Gabe wird durch Zusatz einer rekombinanten, löslichen Hyaluronidase (rHuPH20) ermöglicht. Dieses Enzym spaltet Hyaluronsäure, einen Bestandteil der Matrix des Unterhautgewebes, und macht das Unterhautgewebe somit durchlässiger für die Arzneistofflösung. Eine Dosis von 600 mg Trastuzumab in 5 ml Lösung kann auf diese Weise innerhalb von fünf Minuten verabreicht werden. Gegenüber der bislang nötigen 30-minütigen Infusion (Initialdosis 90 min) bedeutet dies eine deutliche Zeiteinsparung für das medizinische Personal und die Patienten. Die Nichtunterlegenheit der subkutanen Gabe gegenüber der Verabreichung als Infusion in der adjuvanten Therapie von Brustkrebspatientinnen wurde in einer offenen, randomisierten Phase-III-Studie nachgewiesen. Inzwischen wurde außerdem ein Applikationssystem entwickelt, das die Selbstverabreichung von Trastuzumab ermöglicht. Dessen Praktikabilität und Sicherzeit wird zurzeit gegenüber der assistierten subkutanen Gabe geprüft [3, 4].
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