DiRECT weg vom Diabetes


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Foto: Ferdinando Iannone

Ende Mai findet der Diabetes Kongress 2019 statt. Dort wird unter anderem über den Entwicklungsstand der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 informiert. Deren Fertigstellung ist für Februar 2020 geplant, nachdem die Gültigkeit der 2013 verabschiedeten NVL inzwischen abgelaufen ist [1]. Es ist davon auszugehen, dass auch die neue Leitlinie die Bedeutung von Lebensstilinterventionen betonen wird, und Studien aus der jüngeren Zeit untermauern dies, mit einem besonderen Augenmerk auf der Gewichtsabnahme.

Aktuell erschienen sind die 2-Jahres-Daten des Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT) [2]. In dieser offenen Studie wurde in Großbritannien untersucht, inwieweit bei Diabetespatienten unter hausärztlicher Betreuung ein Programm zur Gewichtsreduktion erfolgreich umgesetzt und damit eine Diabetesremission erzielt werden kann. An der Studie nahmen 306 erwachsene Patienten teil, bei denen in den vergangenen sechs Jahren ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert worden war und die einen Body-Mass-Index von im Mittel 34 bis 35 kg/m2 aufwiesen. Unter Behandlung mit einem oder mehreren oralen Antidiabetika (ca. ¾ der Patienten) oder ohne medikamentöse Therapie lag der durchschnittliche HbA1c-Wert bei 7,6 %. In 26 Kontrollpraxen wurden die Patienten nach den üblichen Standards der Diabetestherapie behandelt. In 23 Interventionspraxen absolvierten sie ein striktes, eng betreutes Gewichtsreduktionsprogramm mit dem Ziel, mindestens 15 kg abzunehmen und das erreichte Gewicht zu halten. Für drei Monate wurde die Ernährung vollständig auf eine Formuladiät mit 825 bis 853 kcal/Tag umgestellt. Dann erfolgte über zwei bis acht Wochen ein schrittweiser Aufbau einer normalen Mischkost (ca. 50 % Kohlenhydrate, 35 % Fett, 15 % Eiweiß) als Erhaltungsdiät. Mit Beginn des Gewichtsreduktionsprogramms wurden alle Antidiabetika und Antihypertensiva abgesetzt, konnten aber im weiteren Verlauf nach Bedarf wieder angesetzt werden. Gewicht, Blutdruck und Blutglucose wurden bei den Patienten der Interventionsgruppe im ersten halben Jahr alle zwei Wochen und im weiteren Verlauf alle vier Wochen in der Hausarztpraxis bestimmt.

Eine Gewichtsabnahme um mindestens 15 kg hatten nach einem Jahr 24 % der Teilnehmer der Interventionsgruppe, aber keiner aus der Kontrollgruppe erreicht (p < 0,0001); im Mittel lag die Gewichtsabnahme bei 10,0 kg bzw. 1,0 kg [3]. Eine Diabetesremission, definiert als HbA1c unter 6,5 % nach mindestens zwei Monaten ohne antidiabetische Medikation, erreichten in der Interventionsgruppe 46 % und in der Kontrollgruppe 4 %. Dabei zeigte sich über beide Gruppen hinweg ein klarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Gewichtsreduktion (keine, < 5 kg, 5–10 kg, 10–15 kg, ≥ 15 kg) und dem Anteil der Teilnehmer mit Diabetesremission (0 %, 7 %, 34 %, 57 % bzw. 86 %) [3].

Doch wie lange hält dieser Effekt an? Nach zwei Jahren hatten die Patienten der Interventionsgruppe zwar wieder etwas zugenommen, die Gewichtsabnahme um mindestens 15 kg bestand aber noch bei 11 % (in der Kontrollgruppe bei 2 %); eine Diabetesremission lag bei 36 % bzw. 3 % vor [2]. Die Patienten der Interventionsgruppe hatten im Mittel einen um 0,44 Prozentpunkte niedrigeren HbA1c-Wert als die Patienten der Kontrollgruppe; dabei hatten zu diesem Zeitpunkt nur 40 % eine antidiabetische Medikation, in der Kontrollgruppe dagegen 84 %.

Das Programm forderte den Teilnehmern viel Disziplin ab. Entscheidend für den Erfolg war dabei zweifellos auch die engmaschige Betreuung. Hierbei können moderne telemedizinische Möglichkeiten gute Unterstützung bieten. Das zeigt zum Beispiel eine Studie, die am Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum mit Patienten mit fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes durchgeführt wurde [4]. Telemedizinisches Coaching, eine unterstützende Formuladiät und Blutzuckerselbstmessungen, deren Ergebnisse online übermittelt wurden, führten nach 12, 26 und 52 Wochen zu signifikant verbesserten HbA1c-Werten, verbunden mit Gewichtsabnahme und Reduktion des Insulin-Bedarfs. Die Wirksamkeit des Programms TeLiPro (Telemedizinisches Lebensstil-Interventions-Programm für Typ-2-Diabetiker) im Versorgungsalltag wird zurzeit in einer vom Innovationsfonds geförderten Studie untersucht [5].

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