Kalorien mit Gepäck


Dr. Jasmine Naun, Stuttgart

Foto: Dorothee Rietz

Seit 2022 haben Patienten einen gesetzlichen Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) der Apotheken. Dabei handelt es sich um Leistungen, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten noch weiter verbessern sollen [3]. Fünf pharmazeutische Dienstleistungen dürfen die Apotheken derzeit anbieten. Eine dieser pDL ist die „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“ [1]. Hintergrund ist, dass bei diesen Arzneimitteln ein erhöhter Beratungsaufwand notwendig ist, um sowohl Wirksamkeit als auch Arzneimitteltherapiesicherheit beim Patienten zu gewährleisten. Denn häufig handelt es sich um Substanzen mit enger therapeutischer Breite, hinzu kommen teilweise komplexe Therapieschemata. Auch die vom Arzt festgelegte individuelle Dosierung sollte genau beachtet und eventuell vorgeschriebene Therapiepausen sollten zuverlässig eingehalten werden, um eine versehentliche Überdosierung zu vermeiden [4].

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Arzneimittelgruppe ist der nahrungsmittelabhängige Einnahmezeitpunkt. Dabei sind zwei Szenarien möglich: Die gleichzeitige Einnahme mit der Tumormedikation führt zu einer Verringerung der Bioverfügbarkeit des Arzneimittels und damit zu einer geringeren Effektivität [2]. Oder aber es kommt zum gegenteiligen Effekt, also zu einer Verbesserung der Wirkstofffreisetzung und damit zu einer unerwünscht hohen Steigerung der Bioverfügbarkeit mit einhergehender Toxizität [2]. Man spricht hier vom positiven „food effect“: Die Kalorien „schleppen“ sozusagen den Wirkstoff mit [2]. Dies ist zum Beispiel bei Erlotinib, Lapatinib, Nilotinib, Pazopanib und Abirateron bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme der Fall.

Im letzten MMP-Webinar „Orale Tumortherapeutika“ ist Jürgen Barth, Gießen, unter anderem auf diese Thematik eingegangen. Während und nach dem Webinar wurden zahlreiche Fragen gestellt. Wir haben für Sie eine Auswahl dieser Fragen und seine Antworten zusammenfasst. Beim nächsten Webinar am 28. März 2023 wird Jürgen Barth auf die Supportivbehandlung bei der oralen Tumortherapie eingehen. Sie können sich bereits jetzt dafür anmelden – für MMP-Abonnenten wie immer kostenlos.

Übrigens konnte bereits im Rahmen der AMBORA-Studie gezeigt werden, dass eine intensivierte Betreuung von Krebspatienten über zwölf Wochen zu Beginn einer oralen Antitumortherapie zu deutlich weniger schweren Nebenwirkungen und weniger Einnahmefehlern führt [4, 6]. Auch Therapieabbrüche traten in der Interventionsgruppe seltener auf.

Die AMBORA-Studie ist außerdem die erste in Deutschland durchgeführte Untersuchung zur Evaluierung des Ausmaßes der Verwürfe oraler Tumortherapeutika. Bei 85% der Patienten, die eine Therapie abbrachen, kam es in dieser Studie zu Verwürfen.

Dabei handelte es sich innerhalb der 12 Wochen um 1693 Tabletten/Kapseln in einem Gesamtwert von 112 212 Euro [5]. Hochgerechnet auf das ambulante Verordnungsvolumen der AOK Bayern ergibt dies einen geschätzten Verwurf von 3,49 Millionen Euro in 12 Wochen und zeigt wie wichtig es auch aus ökonomischer Sicht ist, Therapieabbrüche zu vermeiden [5].

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