Pharmakologie aktuell

Entecavir

Therapie chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektionen

Mit Entecavir (Baraclude®) steht seit Juni 2006 ein neues antiviral wirksames Nucleosid-Analogon zur Therapie chronischer Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektionen zur Verfügung. Entecavir zeichnet sich durch eine sehr gute antivirale Wirksamkeit sowohl bei nicht vorbehandelten als auch bei vorbehandelten Patienten mit chronischer HBV-Infektion aus. Bei nicht vorbehandelten Patienten wurde bislang keine Resistenz gegenüber dem neuen Arzneistoff nachgewiesen. Eine Resistenzentwicklung scheint aber bei Patienten, die bereits Lamivudin-resistent sind, stattzufinden. Die Resistenzentwicklung wird insbesondere vor dem Hintergrund, dass häufig eine Langzeitbehandlung der Patienten erforderlich ist, in Zukunft aufmerksam zu verfolgen sein.

ÜbersichtTobias Esch, Coburg/New York, Andreas Michalsen, Essen, und George B. Stefano, New York

Endocannabinoide als molekulare Instrumente der Gesundheitsförderung

Endocannabinoide können als ein physiologisches Modell für so genannte Selbstheilungskräfte gelten, da sie in ein komplexes System der natürlichen Autoregulation eingebunden sind. Für die neurobiologische Untersuchung dieses Systems ist unter anderem ein hier vorgestelltes tierexperimentelles Invertebraten-Modell nützlich. Endocannabinoide, wie auch endogenes Morphin, aktivieren konstitutives Stickstoffmonoxid (NO), das eine Reihe positiver physiologischer Effekte anstößt, die unter anderen zur endogenen Stressreduktion beitragen. Man könnte daher im Kontext der Endocannabinoid-Autoregulation von einer „Gesundheitsförderung auf molekularer Ebene” sprechen. Entscheidend ist, dass die Konvergenz der endogenen Autoregulation im Bereich von NO auf übergreifenden neurobiologischen Qualitäten beruht, wie sie beispielsweise durch limbische Belohnungs- und Motivationsmechanismen repräsentiert werden. Nach unseren Erkenntnissen spielt bei modernen Ansätzen einer erfolgreichen – angewandten oder integrativen – Gesundheitsförderung die endogene Autoregulation, unter Einbeziehung hirnphysiologisch tiefer limbischer Aktivitäten, eine zentrale Rolle. Allerdings ist noch weitere Forschung nötig, bevor unterschiedliche Aspekte von neurobiologischer Wissenschaft und klinischer Medizin im Bereich der Prävention umfassend und sinnvoll integriert werden können.
Schlussfolgerung: Erfolgreiche Präventionsprogramme, wie beispielsweise ein integrativmedizinisches Stressmanagement, binden autoregulative Mechanismen ein. Hieraus ergibt sich ein interessantes Forschungspotenzial, insbesondere wenn auf die anhaltende Gesundheitsförderung und ihre Kopplung an neurobiologische Phänomene der Motivation geachtet wird.

FlaggeEnglish abstract

Endocannabinoids as molecular instruments of health promotion

Endocannabinoids may be a physiological model for our self-healing capacities, since they are part of a complex system of natural auto-regulatory processes. This system has been examined via neurobiology, where the experimental invertebrate model is useful. Endocannabinoids, as well as endogenous morphine, activate constitutive Nitric Oxide (NO) release, which exerts a variety of positive physiological effects. By doing so, we surmise endogenous stress reduction emerges. Therefore, in the context of endocannabinoid auto-regulation, it seems adequate to speak of "health promotion on a molecular level". The convergence of endogenous auto-regulation on NO pathways critically relies upon common or overlapping neurobiological molecular components, as they are represented by limbic reward and motivation mechanisms. To our knowledge, endogenous auto-regulation – involving deep limbic brain activities – plays a crucial role in successful modern strategies of applied and integrative health promotion. More research, however, is necessary before the different aspects of neurobiological science and clinical medicine in the field of prevention may be integrated extensively and with profound reason. Conclusions: Successful preventive programs, such as integrative medical stress management, include auto-regulative mechanisms on the physiological level. This leads to an interesting research potential, particularly when one considers the long-term effects of applied health promotion and its coupling to motivational neurobiological phenomena.

ÜbersichtMichael Reiß, Radebeul, und Gilfe Reiß, Dresden

Schlafstörungen – Aspekte obstruktiver schlafbezogener Atemstörungen

Bei der obstruktiven Schlafapnoe unterscheidet man zwischen primärem Schnarchen und krankhaften Formen oder obstruktiven Atmungsstörungen im Schlaf. Das primäre Schnarchen besitzt keinen eigentlichen Krankheitswert. Symptome des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms sind Schnarchen, Tagesmüdigkeit und intellektueller Leistungsverlust. Man kann komplette Atempausen (Apnoen) von Phasen der Minderatmung (Hypopnoen) unterscheiden. Die Diagnose wird durch Anamnese, klinische Untersuchung, Schlafapnoe-Screening und weitere schlafmedizinische Untersuchungen gestellt. Das Therapieziel ist die Beseitigung der Atmungsstörung und der gesundheitlichen Störungen. Eine Therapieindikation besteht bei obstruktiven schlafbezogenen Atmungsstörungen, weniger dagegen beim primären Schnarchen. Die therapeutischen Möglichkeiten richten sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Neben konservativen Verfahren ist auch eine operative Behandlung möglich. Standardtherapie ist die nächtliche Beatmungstherapie mit Überdruck (nCPAP).

FlaggeEnglish abstract

Sleep disturbances – aspects of obstructive and sleep-related breathing disorders

Obstructive sleep apnea (OSA) is a wide spread affliction in industrialised countries. OSA has to be distinguished from simple snoring which is socially annoying but physically harmless, since it does not harm the physical health. Patients with OSA complain about disruptive snoring, daytime sleepiness, and loss of intellectual power. OSA is associated with increased mortality. It is possible to distinguish between complete respiratory pauses or apnoea and periods of too shallow breathing or hypopnoea. History taking, clinical examination, recording of daytime sleepiness, and cardio-respiratory sleep studies are necessary to make a proper diagnosis. OSA should primarily be treated, not so the simple snoring. In sleep apneics the treatment focuses on the removal of the sleep-related breathing disturbances and their health-related consequences. Therefore adjuvants or minimally invasive surgical techniques are favoured. Gold standard treatment of OSA is nasally applied continuous positive airway pressure (nCPAP). Alternative treatment modalities are also used. As conservative approaches oral appliances and conditioning (to avoid supine sleeping position) show promising results. Surgical treatment complies with the severity of the disease and with the anatomical findings. A variety of surgical approaches to the soft palate, the base of tongue, the tonsils, and the upper and lower jaws have been described.

Fragen aus der Praxis

Lutein als Nahrungsergänzungsmittel?

Lutein-haltige Nahrungsergänzungsmittel nehmen zwischenzeitlich einen breiten Raum im Warensortiment der Apotheke ein. Mit der Zufuhr derartiger Präparate sollen eine Reihe präventiver und therapeutischer Effekte verbunden sein, die insbesondere das visuelle und kardiovaskuläre System betreffen [1]. Wie sind die Wirkung und die Toxizität zu beurteilen? Welcher Wirkungsmechanismus liegt zugrunde? Wie hoch ist der natürliche Bedarf an Lutein und in welchen Nahrungsmitteln kommt es vor? Schließlich interessiert auch, ob es Unterschiede zwischen freien und veresterten Formen gibt, was von Herstellern Lutein-haltiger Präparate behauptet wird.

Referiert & kommentiertDr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS)

Anhaltende Symptomkontrolle durch mittellang wirksames Methylphenidat

Methylphenidat steht jetzt auch in einer Formulierung zur Verfügung, mit der wirksame Plasmaspiegel schnell erreicht und für etwa sechs Stunden aufrechterhalten werden (Equasym® Retard). Diesem pharmakokinetischen Profil entspricht die klinische Wirkung, die rasch einsetzt und zum Beispiel für die Dauer eines langen Schultags anhält. Die neue Formulierung erweitert die Möglichkeiten zur Individualisierung der ADHS-Therapie.

Referiert & kommentiertDr. Ingo Stock, Brühl bei Köln

Virusinfektionen

„Neue“ Coronaviren sind Erreger von Atemwegserkrankungen

Das im Jahr 2004 beschriebene Coronavirus HCoV-NL63 ist ein häufiger Erreger von Atemwegserkrankungen beim Menschen und weltweit verbreitet. HCoV-HKU1, ein weiteres kürzlich beschriebenes Coronavirus, verursacht ebenfalls respiratorische Erkrankungen.

Referiert & kommentiertam

Impfempfehlungen der STIKO

Zwei neue Standard-Impfungen für Säuglinge und Kleinkinder

Seit Juli 2006 werden für Säuglinge und Kleinkinder zwei weitere Standard-Impfungen empfohlen: Die Impfung gegen Pneumokokken und gegen Meningokokken.

Referiert & kommentiertRosemarie Ziegler, Albershausen

Atherothrombose

Prävention mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure

Bei Hochrisikopatienten, die niedrig dosierte Acetylsalicylsäure einnehmen, wiegt eindeutig die Anzahl der dadurch vermiedenen schweren Gefäßereignisse die Zahl der zusätzlichen Blutungsereignisse auf. In Niedrigrisikogruppen ist dagegen das Vorteil/Nachteil-Verhältnis grenzwertig.

Referiert & kommentiertProf. Dr. med. H. C. Diener, Essen

Sekundärprävention von Schlaganfällen

Kombination von ASS und Dipyridamol besser als ASS-Monotherapie

Für die breite Anwendung der Kombination von Acetylsalicylsäure (ASS) und Dipyridamol zur Sekundärprävention von Schlaganfällen ist jetzt ein stabiles Fundament gelegt: In zwei großen Studien wurde die Überlegenheit der Kombinationstherapie gegenüber der ASS-Monotherapie bestätigt. In der offen randomisiert durchgeführten Studie ESPRIT mit mehr als 2 700 Patienten wurde in der Sekundärprävention mit der Kombinationstherapie gegenüber der ASS-Monotherapie eine signifikante Risikoreduktion im primären kombinierten Endpunkt (Tod durch vaskuläre Komplikation, nichttödlicher Schlaganfall/Myokardinfarkt oder schwere Blutungskomplikation) erreicht.

Referiert & kommentiertDr. med. Anneke Vonend, Bochum

Luftverschmutzung

Kardiovaskuläre und respiratorische Beschwerden durch Feinstaub

Bei kurzfristigen Erhöhungen der Feinstaubkonzentration, insbesondere von Partikeln ≤ 2,5 µm, in der Luft werden mehr Menschen mit kardialen Beschwerden, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und Atemwegsinfektionen stationär aufgenommen. Dabei zeigen sich regionale Unterschiede, die mit der Feinstaubzusammensetzung zusammenhängen könnten.

Referiert & kommentiertRosemarie Ziegler, Albershausen

Senile Katarakt

Schützen „Statine“ vor grauem Star?

In einer Langzeitstudie auf Populationsbasis wurde eine Kernkatarakt seltener bei Personen beobachtet, die CSE-Hemmer einnahmen.

Referiert & kommentiertRosemarie Ziegler, Albershausen

Neuropathische Schmerzen

Therapie von Phantomschmerzen

In der schwierigen Behandlung von Phantomschmerzen müssen medikamentöse, psycho- und physiotherapeutische Verfahren kombiniert werden.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, München

Postmenopausale Frauen mit niedriger Knochenmasse

Neuer Wirkungsmechanismus RANKL-Antikörper reduziert Knochenabbau

Der monoklonale Antikörper Denosumab bindet an den Receptor activator of nuclear factor-kappaB ligand (RANKL) und verhindert damit die Osteoklasten-Differenzierung. In einer Phase-II-Studie konnte mit subkutanen Denosumab-Gaben alle drei oder alle sechs Monate der Knochenabbau bei postmenopausalen Frauen mit niedriger Knochenmasse verringert werden.