Dr. Tanja Saußele, Stuttgart
Foto: Ferdinando Iannone
Die Tage werden kürzer, Blätter färben sich bunt und fallen schließlich von den Bäumen: Der Sommer räumt dem Herbst das Feld. Und mit ihm starten wir auch in die Erkältungszeit. Meist sind Erkältungsviren harmlos und verursachen lediglich eine Infektion der oberen Atemwege mit Symptomen wie Halsschmerzen, Schnupfen und Husten. In der Apotheke steht uns ein Armamentarium zur Verfügung, mit dem die Viren zwar nicht bekämpft, die Symptome aber durchaus gelindert werden können. Dass Viren, die Atemwegsinfektionen verursachen, aber nicht immer harmlos sind, wissen wir von der Grippe und spätestens seit der COVID-19-Pandemie.
Ebenfalls zu diesen ernstzunehmenden Erkrankungen zählen Infektionen durch das respiratorische Synzytialvirus (RSV; RS-Virus). RS-Viren gehören weltweit in allen Altersgruppen zu den häufigsten Verursachern von respiratorischen Erkrankungen. Bis zum Alter von drei Jahren haben fast alle Kinder mindestens eine RSV-Infektion durchgemacht. Weltweit erkranken jährlich etwa 33,1 Millionen Kleinkinder unter fünf Jahren wegen einer RSV-Infektion, was ungefähr 3,2 Millionen Krankenhauseinweisungen und 200 000 Todesfälle nach sich zieht [4]. Woher dieses kaum aussprechbare Virus seinen Namen hat, welche Symptome es verursacht und welche Arzneistoffe für eine Prophylaxe zur Verfügung stehen, erfahren Sie in der Übersicht "Erkrankungen durch das respiratorische Synzytialvirus (RSV)".
Bislang gab es mit Palivizumab (Synagis®) die einzige Möglichkeit für eine Prophylaxe von RSV-Erkrankungen. Dieser monoklonale Antikörper war und ist allerdings ausschließlich zur RSV-Prophylaxe bei Kindern unter zwei Jahren mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zugelassen. Dies sind Kinder, die zum Beispiel zu früh auf die Welt kamen oder an einer chronischen Lungenerkrankung oder einem angeborenen Herzfehler leiden. Die Gabe bei diesen Kindern muss allerdings monatlich während der kompletten RSV-Saison (Oktober bis März) erfolgen.
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) hat nun eine Empfehlung für den neuen Wirkstoff Nirsevimab (Beyfortus®) als Einmaldosis vor oder in ihrer ersten RSV-Saison für alle Säuglinge unabhängig von möglichen Risikofaktoren empfohlen.
Aber Moment: Ist die STIKO nicht für Impfempfehlungen zuständig? Bei diesem Wirkstoff handelt es sich strenggenommen aber um gar keine Impfung, sondern um eine Immunprophylaxe mit einem rekombinanten Antikörper. Deshalb kann ein Leistungsanspruch für gesetzlich Versicherte gar nicht durch die Schutzimpfungs-Richtlinie geregelt werden, wie es normalerweise der Fall ist [2]. Bei dieser Form der passiven Immunisierung ist für die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) notwendig. Zusätzlich gibt es für Krankenkassen die Möglichkeit, Leistungen für „andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe“ in ihrer Satzung vorzusehen. Nun kommt hinzu, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zur Prävention von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern für Nirsevimab keinen Zusatznutzen ausgesprochen hat (Details hierzu im Artikel) [1]. Zum 14. September trat nun die Verordnung in Kraft, mit der alle Neugeborenen ab sofort Anspruch auf eine RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab haben [3]. Es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht zu Lieferengpässen kommt.
Falls es dennoch zum Krankenhausaufenthalt kommen sollte, gilt es, die Patienten sicher und korrekt zu identifizieren, beispielsweise mit einem Patientenidentifikationsarmband. Anhand zahlreicher Patientenfälle können Sie im Artikel zur sicheren Patientenidentifikation vom Team der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie der Universität Heidelberg erfahren, was bei einer Verwechslung alles passieren kann. Ich hoffe, es schaudert Ihnen nicht zu sehr.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, und trotzen Sie den Erkältungsviren!
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